S. 21 - 30



Es lassen sich zwei Wege denken, die das Räsonnement leiten, //21// entweder man geht aus von der uns bekannten Beschaffenheit der Welt oder den notwendigen Vorstellungen, die im Bewusstsein vorkommen: Dies ist ein bloßes Herumtappen und Probieren; man lässt sich immer das Resultat vor Augen schweben. Dies taugt nicht.

Oder man geht aus von der Handelsweise des vorstellenden Wesens und zeigt nun, wie nach diesen Gesetzen solche Vorstellungen zu Stande kommen, man hat da nur die Art vor Augen, wie etwas zu Stande kommen soll. Wenn man so zu Werke geht, so wird von allem Wirklichen abstrahiert. Wäre der Grundsatz richtig und würde richtig aus ihm gefolgert, so muss das Resultat mit der gemeinen Erfahrung übereinstimmen. Träfe etwa beides nicht zusammen, so würde nicht gerade die Unrichtigkeit des ganzen Unternehmens, sondern nur des Verfahrens durch einen Fehlschluss folgen; diesen müsste man aufsuchen. 

Es ist zu erweisen, dass das Ich sich nicht setzen könne, ohne noch manches andere zu setzen. Dies wäre lediglich in der Selbstanschauung nachzuweisen, so wie* das erste Gesetz, dass ich mich nur auf diese Weise setzen kann. Dies wäre der Gang des Systems. 
*) [hier: als]
Nota.
 Dass das Wesen der Vernunft im Sich-selber-setzen besteht, bleibt immer vorausgesetzt und lässt sich aus nichts Elementarem herleiten, es ist selber elementar. Und nur, wer so verfährt, soll Vernunftwesen heißen, das ist tautologisch. Doch dass es, wenn es sich selber setzt, so verfährt und anders nicht verfahren kann, das ist rein faktisch so und beruht auf keinerlei Gesetz: denn dann wäre es kein Sich-selber-Setzen.
- Irritierend bleibt immer der Ausdruck "Wesen der Vernunft". Er hat es ja selber so definiert, aber der Wortge-brauch klingt, als sei zuerst das "Wesen" da, und daraus folge das Sich-selber-Setzen, während die Voraus-setzung doch umgekehrt vorging. - Ich werde nicht müde, auf diese Doppeldeutigkeit hinzuweisen, die sich bei Fichte von Anbeginn zeigt.
 JE

Anmerkung. Das System kann jeden nur auffordern, in sich selbst hineinzusehen, wie er es macht; nun aber behauptet es allgemeine Gültigkeit, dass jedes Vernunftwesen so verfahren müsse. Diese Forderung geschieht mit Recht, und vorausgesetzt, dass das Wesen der Vernunft in dem Sichselbstsetzen bestehe, so gehen ja alle als notwendig aufgestellten Handlungen aus demselben hervor: Sie gehen sonach aus dem Wesen der Vernunft hervor, und jedes Vernunftwesen muss daher die Richtigkeit des Systems anerkennen.

Ferner die Einsicht in dieses System gründet sich darauf, dass man alle Handlungen, die hier betrachtet werden, innerlich nachmacht. Denn es zählt nicht eine Reihe von Tatsachen auf, die nur so gegeben werden, sondern eine Reihe von Handlungen, in denen bemerkt wird, worauf es ankommt.
Nota.
- Das System ist ein Modell. Aber das Modell kommt nicht zustande, indem man aus allen möglichen Varianten (in Wahrheit: der begrenzten Zahl derer, die einem einfallen) einen Durchschnitt ermittelt, sondern indem man ins Modell nur das aufnimmt, worauf es ankommt.
Was aber ist es, worauf es ankommt? Das kann man nicht her aus suchen, sondern muss es vor aus setzenHat man das Richtige getroffen, "so muss das Resultat mit der gemeinen Erfahrung über-einstimmen". Das ist der Prüfstein: Eine ' Reihe vernünftiger Wesen ' ist das historisch Reale.muss erklärt werden.
JE

Der Philosoph ist nicht ein bloßer Beobachter, sondern er macht Experimente mit der Natur des Bewusstseins und lässt sich auf seine bestimmten Fragen antworten. Das System ist für Selbstdenker, durch bloßes Lernen kann es nicht gefasst werden. Jeder muss es in sich hervorbringen, besonders weil //22// keine fester Terminologie angenommen wird; durch das Gegenteil machte sich Kant so viele Nachbeter.

Wer an dieses System geht, braucht eben noch keine Selbstdenker zu sein, nur muss er Liebe zum Selbstdenken haben. Bei jungen Leuten ists nicht leicht der Fall, dass ihr Kopf schon in Falten eingezwängt sei und dass sie daher zum Selbstdenken unfähig seien. Man kann zum Selbstdenken anführen dadurch, dass man Stoff gibt, worüber gedacht wird, dass man vordenke und dadurch zum Nachdenken erwecke.
 Nota.
- Auf eine feste Terminologie kann F. verzichten, weil die Wissenschaftslehre nicht von gegebenen Begriffen ausgeht, sondern angibt, wie welche Vorstellungen hervorzubringen seien; weshalb es bei der Interpretation der Texte so wenig hilft, 'Stellen' gegeneinander auszuspielen: Die Wörter bedeuten nicht überall dasselbe. Fichtes Terminologie ist beweglich, man kann Jedes nur aus seinem Zusammenhang verstehen.
JE

Verhältnis dieses Systems zur Erfahrung.

In der Erfahrung, welche durch dieses System deduziert werden soll, findet man die Objekte und ihre Beschaffenheiten; in dem System selbst die Handlungen des Vernunftwesens und die Weisen desselben, inwiefern Objekte durch sie hervorgebracht werden, denn der Idealismus zeigt, dass alle andre Art, zu den Objekten zu kommen, keinen Sinn habe.

Der Philosoph fragt, wie entstehen Vorstellungen von den Dingen, die außer uns sein sollen? Dann die Vorstellungen von Pflicht, Gott und Unsterblichkeit. Diese Frage heißt soviel: Wie kommen wir zu den Objekten, die diesen Vorstellungen entsprechen? Man könnte die notwendigen Vorstellungen objektive Vorstellungen nennen, weil sie auf ein Objekt bezogen werden. –

Dies gilt auch von den Vorstellungen der Pflicht, Gottheit und Unsterblichkeit. Man kann daher fragen: Woher das Objekt für uns? Die Philosophie enthielte sonach ein System solcher Handlungen, wodurch Objekte für uns zu Stande kommen. Aber gibt es denn nun wirklich solche Handlungen, wie im Idealismus vorgetragen werden? Hat das darin Vorgetragene Realität, oder ist es nur von der Philosophie erdichtet?

Zuvörderst, der Idealismus stellt auf eine Reihe von ursprünglichen Handlungen. Dass es eine Reihe gibt, wird nicht behauptet, dies wäre gegen das System, denn darin heißt es: Das Erste kann nicht sein ohne eine Zweites usw. Die Handlungen kommen also nicht einzeln vor, da ja die eine nicht ohne die andere sein soll.

Mit einem Schlage bin ich und
//23// ist die Welt für mich. Aber im System müssen wir, was eigentlich nur eins ist, als eine Reihe von Handlungen betrachten, weil wir nur Teile, und zwar bestimmte, auffassen können. Wenn das Vernunftwesen nach gewissen Gesetzen in der Erfahrung verfährt und so verfahren muss, so muss es auch im Gebiete der Philosophie verfahren. Ein Gedanke muss an den andren angeknüpft werden.

Dann muss man den, der so fragt, bitten zu bedenken, was er denn eigentlich frage. Was heißt denn wirklich, was heißt Realität? Nach dem Idealismus: das, was notwendig im Bewusstsein vorkommt. Kommen denn diese Handlungen vor, wo und wie? Auf dem Gebiete der Erfahrung nicht, kämen sie da vor, so wären sie selbst Erfahrung und gehörten nicht in die Philosophie, welche den Grund der Erfahrung angeben soll. Also eine solche Wirklichkeit wie die der Erfahrung haben diese Handlungen nicht, auch kann man nicht sagen, diese Handlungen geschähen in der Zeit, weil die Erscheinungen nur [=nur die Erscheinungen] Realität in der Zeit haben.

Herr Prof. Beck, der die Kritik der reinen Vernunft gefasst [=richtig aufgefasst] hat, will nicht über die Erfahrung hinausgehen. Dadurch wird alle, auch seine, Philosophie abgeschnitten. Auch ist es nicht Kants Meinung, denn [d]er fragt, wie ist Erfahrung möglich. Er erhebt sich also über sie.

Aber das, was nicht im Gebiete der Erfahrung liegt, hat keine Wirklichkeit im eigentlichen Sinn, es darf nicht in Raum und Zeit betrachtet werden, es muss betrachtet werden als etwas notwendig Denkbares, als etwas Ideales. Z. B. das reine Ich ist in diesem Sinn nichts Wirkliches; das Ich, das in der Erfahrung vorkommt, ist die Person. Wenn jemand das reine Ich als philosophischen Begriff darum tadelt, weil es nicht in der Erfahrung vorkommt, so weiß er nicht, was er will.

Wer sich zur Philosophie erhebt, für den haben diese Handlungen Realität, nämlich die des notwendigen Denkens, und für dieses ist Realität [sic]. Diese Realität hat auch die Erfahrung. So gewiss wir sind und leben, so gewiss muss die Erfahrung sein, und so gewiss wir philosophieren, so gewiss müssen wir //24// diese Handlungen denken. Im Bewusstsein des Philosophen kommt etwas vor, was im gemeinen Menschenverstand als solchen [sic] nicht vorkommt, das Bewusstsein des Philosophen erweitert sich, und dadurch wird es ein vollständiges, vollendetes. Sein Denken erstreckt sich so weit, wie es nur gehen kann. 

Über die Erfahrung hinaus kann gefragt werden, und dies geschieht; aber über die Philosophie kann mit Vernunft nicht gefragt werden; z. B. was der Grund der Beschränktheit an sich sei, dies widerspricht sich selbst und wäre eine Absurdität. Es wäre eine Anwendung der Vernunft, die von aller Vernunft abstrahiert wäre.

Das Fortschreiten von Realität zu Realität, von einer Stufe des Bewusstseins zur anderen, ist der Gang des natürlichen Menschen, und wir können da drei Stufen annehmen:

1) Er verknüpft die Objekte der Erfahrung nach Gesetzen, aber ohne dessen sich bewusst zu sein. - Jedes Kind, jeder Wilde sucht zu dem Zufälligen einen Grund, urteilt also nach den Gesetzen der Kausalität, ist sich aber dessen nicht bewusst.

2) Der, der über sich reflektiert, bemerkt, dass er nach diesen Gesetzen verfährt; dem entsteht ein Bewusstsein dieser Begriffe. In dieser zweiten Region kann es wohl kommen, dass man die Resultate dieser Begriffe für Eigenschaften der Dinge hält; dass man sagt, die Dinge an sich sind in Raum und Zeit. 

3) Der Idealist bemerkt, dass die ganze Erfahrung nichts sei als ein Handeln des Vernunftwesens.
 
§ 8. 

Der Idealismus geht aus vom Sichsetzen des Ich, oder von der endlichen Vernunft überhaupt. Aber wenn von einem Überhaupt die Rede ist, so ist dies ein unbestimmter Begriff, er geht also von einem unbestimmten Be-griff aus. Nun sieht der Idealist dem Bestimmen der Vernunft in ihren Begrenzungen zu und lässt durch das Bestimmen ein vernünftiges Individuum, ein wirkliches Vernunftwesen werden, welches etwas ganz anderes ist als der unbestimmte Begriff vom Ich. 

Dieses Ich sieht die Welt und die Dinge auch an,
//25// diese seine Ansicht wird auch von dem Gesichtspunkte des Idealismus erblickt, der Idealist sieht, wie dem Individuum die Dinge werden müssen, die Sache ist also für das Individuum anders als für den Philosophen. Für das Individuum nun sind die Dinge, Menschen usw. unabhängig von ihm vorhanden. Der Idealist aber sagt: Dinge außer mir und unabhängig von mir vorhanden, gibt es nicht. 

Beide sagen also das Gegenteil und widersprechen sich doch nicht, denn der Idealist zeigt von seinem Gesichtspunkte aus die Notwendigkeit der Ansicht der Individuen. Wenn der Idealist sagt: außer mir, so heißt dies: außer der Vernunft; bei dem Individuum heißt es: außer der Person.

Den Gesichtspunkt des Individuums kann man den gemeinen nennen, oder den der Erfahrung. Wird er genetisch angesehen a priori, wenn man auf ihn kommt, so findet sich, dass man durch das Handeln auf ihn komme, er heißt daher der praktische. Alle philosophische Spekulation ist nur möglich, in wie fern abstrahiert wird (im Handeln findet keine Abstraktion statt), und heißt darum der ideale Gesichtspunkt. Der praktische Gesichtspunkt steht unter dem idealen.

Wenn der Philosoph auf dem praktischen Gesichtspunkt steht, so handelt er wie jedes andere Vernunftwesen, und wird nicht durch Zweifel gestört, weil er weiß, wie er auf diesen Standpunkt kommt. Die Spekulation kann nur den stören, der erst angefangen hat zu spekulieren, aber noch nicht im Reinen ist; dem kritischen Philosophen kann so etwas nicht einfallen, weil die Resultate der Erfahrung und der Spekulation immer zusammentreffen.

Es gehört aber Festigkeit dazu, sich von dem einen Gesichtspunkt auf den andern zu setzen; hierin fehlt oft der Anfänger, der durch realistische Zweifel in der Spekulation gestört wird, der wird auch im Handeln durch idealistische gestört.

Nota.
- Während des Handelns reflektieren: das kann sich nur leisten, wer den ständigen Perspektivwechsel gewöhnt ist; wer etwa das Denken berufsmäßig treibt. Jeder andere sollte beherzigen: Alles zu seiner Zeit!
JE


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//27//
§ 1

Vorläufige Bemerkungen

1. Es ist neuerdings sehr geeifert worden gegen das Aufstellen eines ersten Grundsatzes in der Philosophie; von eini- gen, weil sie etwas dabei denken, von anderen aber, weil sie die Mode mitmachen.
Diejenigen, welche sagen: Sucht keinen ersten Grundsatz, können sagen wollen entweder, Ihr sollt in der Philosophie überhaupt nicht systematisch verfahren, so etwas ist unmöglich – werden widerlegt durch das wirkliche Aufstellen eines Systems.

Oder: Alles Beweisen geht aus von einem Unbewiesenen. Was heißt beweisen? Es heißt doch wohl bei dem, der sich einen deutlichen Begriff davon macht, die Wahrheit eines Satzes an einen andern anknüpfen; ich leite die Wahrheit eines bekannten Satzes auf einen andern über. Wenn aber dies beweisen heißt, dann muss es in den Menschen eine Wahrheit geben, die nicht bewiesen werden kann und die keines Beweises bedarf, von der aber selbst alles andere abgeleitet wird. Sonst gibt es keine Wahrheit, und wir werden ins Unendliche getrieben.

Nota.


Soviel zu unsern heutigen "Systematikern", die nicht wissen, was der Name, den sie gewählt haben, historisch wie semantisch bedeutet.
JE

2. Keine von beiden Meinungen scheinen die Besseren, die sich dagegen auflehnen, zu haben. Prof. Beck eifert auch gegen das Suchen eines ersten Grundsatzes. Er meint, die Philosophie müsse ausgehen von einem Postulate, dieses ist aber auch ein Erstes, das nicht weiter bewiesen werden wird, also auch ein Grundsatz. Grundsatz ist jede Erkenntnis, die nicht weiter bewiesen werden soll. Wer aldso ein Poatulat angibt, gibt auch einen Grundsatz an. 

Der Prof. Beck hat den Akzent auf //28// 'Satz' gelegt, und soll sein etwas Objektives, Gefundenes, aus dem durch Analyse herausgebracht wird. Aber wer hat ihn geheißen, Grundsatz so zu erklären? Die Philosophie soll nicht gefunden werden in einem Gegebenen, sondern durch synthetische Fortschreiten. 

Der Satz des Bewusstseins* ist bei Reinhold ein Faktum; durch bloße Zergliederung dessen, was in diesem Satze liegt, soll nach seiner Behauptung die ganze Philosophie zustande kommen. Ein Verfahren, das mit Recht zu tadeln ist.

*) "Im Bewußtsein wird die Vorstellung vom Vorstellenden und Vorgestellten unterschieden und auf beides bezogen." in Eisler, Wörterbuch
 
Die Wissenschaftslehre stellt zuerst auf ein Ich, dies will sie aber nicht analysieren; dies würde eine leere Philosophie sein, sondern sie lässt dieses Ich nach seinen eigenen Gesetzen handeln und dadurch eine Welt konstruieren; dies ist keine Analyse, sondern eine immer fortschreitende Synthese. Übrigens ist es richtig, dass man in der Philosophie von einem Postulate ausgehen müsse; auch die Wissenschaftslehre tut dies und drückt es durch Tathandlung aus.

Dies Wort wurde nicht verstanden. Es heißt aber und soll nichts anderes heißen, als man soll innerlich handeln und diesem Handeln zusehen. Wer also einem andern die Philosophie vorträgt, der muss ihn auffordern, diese Handlung vorzunehmen, er muss also postulieren.


Eine Ursache ist etwas nur so Gefundenes, in der Erfahrung mit Notwendigkeit Vorkommendes, und damit kann man nichts anfangen, als es analysieren, wenn man nich unkonsequent [sic] wird und etwas anderes hinzunimmt, wie Reinhold mit seinem Satze des Bewusstseins tat.

Der erste Grundsatz ist ein Postulat. So wie der Unterricht in der Geometrie ausgeht von dem Postulat, den Raum zu beschreiben, so muss auch in der Philosophie der Leser oder Zuhörer so etwas tun. Wer den ersten Satz versteht, der wird in die philosophische Stimmung versetzt.

Postulat.
 
Man denke sich den Begriff Ich und denke dabei an sich selbst. Jeder versteht, was dies heißt, jeder denkt darunter etwas, er fühlt sein Bewusstsein auf eine gewisse Weise bestimmt, //29// dass er sich eines Gewissen bewusst ist. Man bemerke nur, wie man es mache, indem man diesen Begriff denkt.

Man denke sich irgend ein Objekt, z. B. diese Wand, den Ofen. Das Denkende ist das Vernunftwesen, dieses frei Denkende vergisst sich aber dabei, es bemerkt die freie Tätigkeit nicht; dies muss aber geschehen, wenn man sich auf den Gesichtspunkt der Philosophie erheben will: Im Denken des Objekts verschwindet man in demselben, man denkt das Objekt, aber nicht, dass man selbst das Denkende sei. Indem ich z. B. die Wand denke, bin ich das Denkende und die Wand das Gedachte. Ich bin nicht die Wand und die Wand ist nicht Ich, beide - das Denkende und das Gedachte - werden als unterschieden.

Nun soll ich das Ich denken. Ich bin also, wie in allem Denken, das Handelnde. Mit derselben Freiheit, mit der ich die Wand denke, denke ich auch das Ich, beim Denken des Ich wird auch etwas gedacht, es wird aber das Denkende und das Gedachte nicht so unterschieden, wie beim Denken der Wand. Beide sind eins, das Denkende und das Gedachte. Beim Denken der Wand geht meine Tätigkeit auf etwas außer mir, beim Denken des Ich geht sie aber auf Ich zurück. (Der Begriff der Tätigkeit braucht nicht erklärt zu werden, wir sind uns derselben unmittelbar bewusst, sie besteht in einem Anschauen.)

Nota.

- Mit dem Postulat, das Ich zu denken im Unterschied zu allen äußeren Objekten, beginnt das Philosophieren selbst. Ob auch die Darstellung des ganzen Systems einst von einem - und von diesem! - Postulat wird ausgehen müssen, ist eine ganz andere Frage.
JE

Der Begriff oder das Denken des Ich in dem auf-sich-Handeln des Ich selbst und ein Handeln im Handeln auf sich selbst gibt ein Denken des Ich, und nichts anderes. Beide erschöpfen sich gegenseitig. Das Ich ist, was es sich selbst setzt, und weiter nichts, und das, was sich selbst setzt und in sich zurückgeht, wird ein Ich, und nichts anderes.

In sich zurückgehende Tätigkeit und Ich sind eins, beide erschöpfen einander gegenseitig. Dieser Satz könnte Schwie- rigkeiten erregen, wenn man unter dem Ich in dem aufgestellten Satz mehr verstünde, als darunter verstanden wer- den soll.
Nota.

 - Aufmerksamkeit ist gerichtet, sonst wäre sie keine. Richte ich sie auf dieses, ziehe ich sie ab von jenem. Indem ich auf den Gegenstand merke, kann ich nicht auf mich merken, und umgekehrt. Das ist keine Beson-derheit der menschlichen Aufmerksamkeit: Dem Tier geht es nicht anders. Die Besonderheit der menschlichen Aufmerksamkeit ist: Wir können unsere Aufmerksamkeit willkürlich lenken. Das kann das Tier nicht.* Es kann auf sein Ich nicht aufmerksam werden.
*) Es sei denn, wenn es klug ist – wie manche Affen und wohl auch Raben –, im Spiegel.
JE 
Das Ich ist nicht Seele, die Substanz ist; jeder denkt sich bei dem Ich noch etwas im Hinterhalte. Man denkt, ehe ich so und so es machen kann, muss ich sein. Diese Vorstellung muss gehoben werden. Wer dies behauptet, behauptet, dass das Ich unabhängig von seinen Handlungen sei. Oder man sagt ferner: //30// Ehe ich handeln konnte, musste doch ein Objekt sein, auf das ich handelte. 

Aber was will denn dieser Einwurf sagen? Wer macht denn diesen Einwurf? Ich selbst. Ich setzte mich also vorher selbst, und der ganze Einwurf ließe sich auch so ausdrücken: Ich kann das Setzen des Ich nicht vornehmen, ohne eine Gesetztheit des Ich durch sich selbst anzunehmen. 

Der Begriff des Ich entsteht dadurch, dass ich auf mich zurückgehend handle.

Nota.
 Es ist das Mysterium des AnfangsDer Anfang lässt sich nicht diskursiv denken, nicht begreifen, nämlich nicht auf seine Bedingungen zurückführen, denn die wären 'vor' dem Anfang, was widersinnig ist. Der Anfang lässt sich nur anschauen, nämlich actu: indem ich ihn mache.
Vom Urknall und dem Anfang von Raum und Zeit ist ja hier nicht die Rede. Es geht um den Anfang des Vor- stellens, aus dem Vorstellen tritt die Wissenschaftslehre an keiner Stelle hinaus; sie darf gar nicht anders als immanent argumentieren.
JE
 
Was hat man nun getan, indem man handelte, und wie hat man es getan?

Ich bin mir irgend eines Objekts B bewusst, dessen aber kann ich mir nicht bewusst sein, ohne mir meiner selbst bewusst zu sein, denn B ist nicht Ich, und ich bin nicht B. Ich bin mir aber nur dadurch meines selbst bewusst, dass ich mir des Bewusstseins bewusst bin. Ich muss mir also bewusst sein des Aktes des B, des Bewusstseins vom Bewusstsein. 

Wie werde ich mir dessen bewusst? Dies geht ins Unendliche fort, und auf diese Weise lässt sich das Bewusstsein nicht erklären. Der Hauptgrund ist, dass das Bewusstsein als Zustand des Gemüts, [also] immer als Objekt genommen wurde, wozu es den immer eines anderen Subjektes bedurfte. Wären dies die bisherigen Philosophien inne geworden, so würden sie vielleicht auf den rechten Punkt gekommen sein.

Dieser Einwurf ist nur so zu heben, dass man ein Objekt des Bewusstseins finde, welches zugleich Subjekt wäre; dadurch ein unmittelbares Bewusstsein aufgezeigt würde, ein Objekt, dem man nicht ein neues Subjekt entgegenzusetzen hat.
Nota.
- Bewusst sein ist kein Zustand. 'Sondern ein Akt', müsste hier folgen; actus purus. Aber das ist eher ein Thema der Psychologie und interessiert F. an dieser Stelle nicht. Hier geht es darum: Wenn ich mir das Bewusstsein als einen Zustand vorstelle, erscheint es als ruhendes Objekt eines Vorstellenden und nicht selbst als vorstellend - und folglich als etwas anderes als ich, es kommt niemals in mich hinein und ich nicht in es. Die Vorstellung, dass ich auf bewusste Weise bin, und zwar in der Verlaufsform und nicht als Ruhe, wird so abgeschnitten. Aber dies ist immerhin ein Wink an die empirischen Psychologen, in welcher Richtung sie suchen sollen, und so behauptet die Transzendentalphilosophie immerhin ihren Nutzen als Regulativ der realen Wissenschaften. JE

Antwort auf obige Frage: wie werden wir uns des Handelns bewusst? Wir beobachteten und wurden uns dessen im Handeln bewusst. Ich, der ich handelte, wurde mir bewusst meines Handelns. Das Bewusstsein des Handelns und das Handeln war eins, durch unmittelbares Bewusstsein. In und mit dem Denken wurde ich mir des Denkens bewusst, das heißt ich setze mich als [im] Denken handelnd. Also auch in diesem Bewusstsein setze ich mich selbst als Subjekt und Objekt dasselbe [sic], und dadurch erhielten wir das unmittelbare Bewusst-//31//sein, das wir suchten. Ich setze mich schlechthin. Ein solches Bewusstsein ist Anschauung, und Anschauung ist ein sich-selbst-Setzen, kein bloßes Setzen.





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