S. 191 - 200

Das Ich wird nur über-//191//haupt hingedacht, es ist eine abstraktes Denken, ein Schweben über Entgegengesetzten, doch mit dem Bewusstein, dass es Entgegengesetzte sind: so im Entwerfen des Zweckbegriffs meiner selbst, das Denken. Aber wies Denken ist, fällt auch sein Objekt aus, denn beides ist ja nur ein aus verschiedenen Ansichten Verschiedenes.
Nota. 
- Statt konkreter Wahrheiten wird F. wohl konkrete Wahrnehmungen gemeint haben. Hier kommt es aber auf die Abstraktionen an: Diese erscheinen erst der 'idealen' Tätigkeit = Reflexion. ('Bedeutung überhaupt' gibt es nicht, es ist nur eine nachträgliche Abstraktion.) 
- Das Ich setzt sich nicht schlechtweg: "Hoppla, jetzt kommt Ich!", sondern setzt sich als sich selbst vorausgesetzt; so, als ob es 'schon immer da gewesen' sei. Darum kann es sich einen wirklichen Anfang auch nicht vorstellen (und ein Ende will es sich nicht vorstellen).
Darum sind die empirischen Iche auch so leicht dazu zu überreden, dass sie "eigentliche" nur ein irdisches Akzidens einer überirdischen Substanz wären: Da fühlen sie sich nicht mehr so auf sich allein gestellt. Als Jacobi an Fichte schrieb, er bräuchte zum Leben etwas, woran er glauben kann, meinte er weniger den heiligen Geist, der ihn ruft, als vielmehr die sichere Hand eines Schöpfers, in der er ruht wie in Abrahams Schoß.
Das Ich setzt nicht nur sich selbst, sondern sich selbst als seinen eigenen Schöpfer. Das ist eine Anmaßung, und es wird ein Leben lang zu tun haben, ihr gerecht zu werden. Doch anders kann es nicht sein eigner Herr sein.
JE


 
Nun wird ja jeder selbst nach gemeinem Verstande ohne Prinzipien behaupten, dass ein abstraktes Denken nicht möglich ist ohne ein konkretes, so dass die Abstraktion etwas voraussetzt, wo das zu abstrahierende vorkommt. So kann ich hier auf Voraussetzung des Wollens nur in soweit schließen, als ich sie schon in concreto gefunden habe; sonach verhält sich das abstrakte Denken zum konkreten wie Bedingung zum Bedingten. - 

Das Wollen setzt einen Zweckbegriff voraus, dieser wieder ein Wollen, dieses wieder einen Zweckbegriff und so ins Unendliche. So gibts also keinen Anfang, eines treibt uns aufs andere wie schon oben mit dem Erkenntnisbegriffe, dieser Zirkel ist noch tiefer als obiger. -

Es ist schon gezeigt worden, dass nicht von einer Reihe der Gedanken und ihrer Sukzession an sich geredet werden kann, sondern von einer Erscheinung der Sukzession für uns; so dass wir uns nur denken als denkend in der Zeit, nicht aber wirklich in der Zeit sind. Im synthetischen Denken = C setze ich mich, finde ich mich selbst als wollend. Diesem setze ich A voraus, und nun ists kein Wunder, dass ich das, was in C liegt, in A setze; dies tue ich, weil A bloß Denken vom Entwerfen des Zweckbegriff ist; ich setze es bloß in die Form der Kausalität, ohne ihm doch eine bestimmte [Kausalität] beimessen zu wollen.

(Der Zweckbegriff geht auf eine schon daliegende konkrete Erkenntnis, von da wird durchgegangen zu einem bestimmten konkreten Wollen.) Nur in so fern kann man sagen: Das Ich findet sich, anstatt es denkt sich als findend. Denkt man das synthetische Denken allein, so macht sich das Ich ohne Bewusstsein; nach Vereinigung aber beider Denken findet es sich, wenn es sich selbt vorher schon gemacht hat.
Nota. 
 - Es ist doch merkwürdig, dass er, wo es um das Verhältnis von Abtraktem und Konkretem geht, zunächst davon abstrahiert, dass doch einer vom Konkreten abstrahiert haben muss, wenn es zu einem Abstrakten kommen soll, und das Verhältnis rein logisch, also umgekehrt darstellt - statt genetisch korrekt. Die folgende Ausführung scheint mir dann aber das Gegenteil zu besagen. (Blöde Frage: Hat sich Krause verschrieben?) 
Wahr ist allerdings auch: 'Das, was' ich im Konkreten auffinde und daraus abstrhiere, muss ich als - unbestimmte? - Vorstellung schon 'gehabt' haben, sonst hätte ich es nicht bemerken können. - Was das Konkrete, was das Abstrakte ist, hängt offenbar davon, von welcher Seite ich es ansehe... 
JE
Anmerkung A. 

Dies ist die charakteristische Auszeichnung der Wissenschaftslehre: Ich denke nur mein Denken in die Zeit //192// hinein; nur dadurch, dass mein Denken Gegenstand des Bewusstseins wird, fällt es mir in die Zeit. Dies wird bei Kant vernachlässigt, da der Begriff der Ichheit vernachlässigt wurde. Das Denken hat die Zeit schon bei sich; wer also vom bloßen Denken redet, der kann gar nicht darauf kommen, die Zeit abzuleiten; in die Zeit fällt aber nicht das Ich, und wenn man weiß, dass dem Denken Bewusstsein beiwohnt, kann man darauf kommen, die Zeit abzuleitem.

Die Wissenschaftslehre ist nicht etwa selbst Erzeugerin einer Erkenntnis, sie ist bloß Beobachterin des menschlichen Geistes im ursprünglichen Erzeugen aller Erkenntnis, aber das Kantische System geht in der Beobachtung nicht zu Ende wie die Wissenschaftslehre. Der gemeine Verstand tut aber und beobachtet nur das Produkt seines Tuns; merkt aber nicht, dass er beim Tun die Zeit u.s.w. erzeugt. Die Wissenschaftslehre gibt aufs Tun selbst Acht, welches [die] erwähnte Synthesis ist, und sie muss diese Synthesis unabhängig von der Analyse aufstellen; nur so entsteht eine genetische Einsicht in den Ursprung unserer Vorstellungen.

Zeit ist nur ein Verhältnis, in welches wir unsere Vorstellungen zu setzen genötigt sind. Das Gesetz dazu sehen wir entstehen, mit ihm die Zeit, aus diesem Verhältnisse in der Zeit entsteht alles Übrige. Dieses ist der Hauptpunkt der transzendentalen Philosophie.

Anmerkung B. 

Demnach - wie das Ich sich denkt in dem beschriebenen Denken, so denkt es sein ganzes Bewusstsein, seine ganze Erfahrung mit, also das Intelligible oder Apriori im Kantischen Sinn des Worts und Aposteriori, beides sind ganz dasselbe, bloß angesehen von verschiedenen Seiten.
Nota.
-  Das synthetische Denken, von dem im letzten Paragraphen gelegentlich verwirrend die Rede war, ist das Denken der Wissenschaftslehre. Wenn der gewöhnliche Verstand denkend handelt, achtet er nur auf die Produkte seines Handelns, und das sind gewöhnlich Begriffe - darunter die Zeit, durch die sie zu einander im Verhältnis (der Sukzession) stehen. Die Wissenschaftslehre sieht aber nicht nur dem Auftreten der Begriffe zu, sondern zugleich der Tätigkeit des Begreifens; und zwar beiden zugleich, denn trennen lassen sie erst wieder in der Reflexion. (Auch das gewöhnliche Denken reflektiert, aber es hat hier nichts zu trennen.) 
Dieses Verfahren, das nicht darstellt, wie die Begriffe auseinander hervorgehen, sondern wie das Ich Vorstellun- gen hervorbringt, die es in Begriffen fasst und fungibel macht, heißt das genetische.
Noch immer ist die Rede nicht vom empirischen Subjekt, sondern vom Ich als Noumenon und seinem 'Be- wusstsein überhaupt'.
JE
Zweite Haupthälfte dieses Paragraphen

Wir stehen bei der Darstellung des Hauptgedankens: Alles Bewusstsein ist nur Selbstbewusstsein. Dazu ist genetisch nachzuweisen, dass und wie aus dem Bewusstsein unserer selbst alles Bewusstsein auf dem gewöhnlichen Gesichtpunkt fließe. Wir //193// haben vorgearbeitet: Das Ich wird gedacht dadurch, dass Sein und Denken als absolut identisch gedacht oder vereinigt werden (Idealität und Realität sind eins); nicht ein Sein und Denken des Ich werden als ein s gedacht, sondern durch die Vereinigung des Seins mit dem Denken kommt das Ich selbst zu Stande. Denn das Ich ist ja noch nicht vorausgesetzt, sondern wir wollen erst seiner Entstehung zusehen. Dieses ganze Bewusstsein und Ich, dieses beides sind ganz dasselbe, nur angehen von zwei Seiten; im gemeinen Bewusstsein ist es Ich, in der transzendentalen Philosophie [ist es] Identität des Seins und des Denkens.

"Diese Synthesis nun ist das Bewusstsein", dies wollen wir beweisen. Dafür ist schon folgendes geschehen: Jenes Synthetisieren des Seins und Denkens ist zugleich ein Analysieren, und dadurch wird das Synthetisieren erst möglich. Das mannigfaltige Sein und Denken und die Vereinigung wird in einem und demselben Akte gesetzt. Sehen wir nur auf die Analyse, so bekommen wir gleichsam zwei Reihen; jedes einzelne ist ein Ich auch nur, in wiefern es gedacht wird - und nicht angesehen wird als gedacht und erzeugt in demselben Momente, sondern diskret in einer Zeitreihe. Dieses zerstreute Denken ist in der höchsten Synthese eins. Mein unmittelbares Denken ist nicht in der Zeit, sondern dadurch wird mein vermitteltes Denken in die Zeit heineingesetzt.
Nota.
- "...wird in einem und demselben Akt gesetzt", und sobald auf diesen Akt reflektiert wird, muss es so erscheinen, als sei Sowohl die Zweiheit als auch die Einheit, jede für sich, zuvor bereits 'dagewesen'. Die Spra- che schiebt dem Denken stets, wenn es sich auch eben erst davon freigemacht hat, die Vorstellung von einem An-sich wieder unter. Die logische Darstellung durch reine Zeichen kanonisiert das dogmatische Denken. 
Die genetische Darstellung, die die einzelnen Bestimmungen in ihrer Entstehung sichtbar machen will, muss sich notdürftig damit behelfen, dass sie alles, was sie sagt, in der nächsten Zeile wieder zurücknimmt, ein- schränkt oder umkehrt. Ja ja, nein nein kann ihre Rede nicht sein. Dass die genetische Darstellung verwirrend ('dialektisch') ist, liegt an ihrer Absicht und lässt sich nicht ändern.
JE
Vorerinnerung
 
Im synthetischen Denken wird ein mannigfaltiges Diskretes gedacht: Als man das sagte, schwebte man über dem synthetischen Denken selbst, es war das Objekt. Jetzt stellen wir uns tiefer in den Standpunkt des synthetischen Denkens selbst, es soll das Subjektive sein, das wir nachahmen; das Mannigfaltige soll jetzt als solches betrachtet werden, nur haben wir immerfort auf die Vereinigungspunkte jedes Denkens mit dem andern [zu] sehen, und so werden wir das synthetische Denken wieder bekommen und werden das, was wir bloß analytisch durchgingen, aus den Teilen wieder zusammensetzen.
Nota.
- 'Schweben' heißt hier das Verhältnis der zweiten semantischen Ebene zur ersten semantischen Ebene: was die Sprache mit dass kennzeichnet, das Reden "über", metà-. Die Vokabel ist ganz treffend, denn dass es sich um eine 'bloße Form' handelte, kann man doch nicht sagen, es ist schon eine sachliche Bestimmung; aber noch ohne Bestimmung. - Da liegt eine ganze gedachte Welt drin, und man kann sagen, das Schweben sei überhaupt das eigentümliche Aroma der Wissenschaftslehre (aber sie verabscheut das Ungefähr).
 JE
//194//                                                                                               1.

Allgemeiner regulativer Satz. Wir prüfen ein diskretes zerstreutes Denken. Wir haben mehrere besondere Denkakte aufzustellen, nun sollen diese doch synthetische vereinigt sein, einer nur durch den andern möglich sein. Bei jedem besondern Denken wollen wir prüfen, wodurch dasselbe an den synthetischen Perioden angeknüpft sei und auf welchem Wege zu einem anderen Denken übergangen werde.

Das unmittelbare Objekt ist das Diskrete, das Besondere, das Vermittelnde für die Synthesis. Diese Bestandteile müssen jetzt charakterisiert werden. Alles Denken ist ein tätiges Bestimmen, also ein Übergehen von Bestimm- barkeit zu Bestimmtheit. Nur, in wiefern wir irgendeinen Zustand des Ich so denken werden, werden wir ein Denken des Ich denken. Es ist also ein sich selbst Bestimmen, da es Denken des Ichs ist, das objektive Denken, womit wir es zu tun haben. 

Das Wesen des Diskreten als solchen ist daher, in welchem das Ich als durchgängig bestimmt erscheine: das Vermittelnde, das sich zu diesem verhält wie das Bedingende, welches sonach in den vorhergehenden Zeitpunkt fallen würde.* Ich habe daliegen A, dieses ist nicht etwa was Besonderes, sondern bloß synthetische Vereinigung von einem diskreten Denken A, B etc. Wir wollen jetzt nicht sehen auf A, sondern einzeln auf A, B, C nach der bequemsten Ordnung. 
*) Dies die Interpunktion in Krauses Ms. Ich lese so: Das Wesen des Diskreten als solchen ist daher, in welchem das Ich als durchgängig bestimmt erscheine: das Vermittelnde, das sich zu diesem verhält wie das Bedingende, welches sonach in den vorhergehenden Zeitpunkt fallen würde. - Das ist rätselhaft genug. Die Red. der GA setzt an die Stelle des Doppelpunkts ein Semikolon; das klingt ganz sinnlos.
 JE

Ich soll nun z. B. A betrachten; ich muss also anzeigen, was es für ein Denken ist; das hilft aber nichts, da A nicht an und für sich betrachtet wird, sondern als Punkt einer ganzen Synthesis. Es muss also gezeigt werden, wie sich an B α, β usw. anschließt, und daraus muss ich das A herausbekommen. Also ich habe zweierlei zu sehen: Wie ist A für sich, und was ists in Beziehung auf α, β usw.? 

Es ist notwendig, dass wir das unterscheiden, der eigentliche Bestandteil von A ist das zuletzt Bestimmte. Das Unmittelbargegenwärtige, das, wodurch es sich anschließt an B, C [und] wodurch es zum Teil des Synthetischen wird, verhält sich zu Ersterm als bedingendes in der Zeit Vorhergehendes. So ist der Zweckbegriff und die Unvollständigkeit des Willens, nach der er nicht aus sich selbst erklärt werden kann, ist [sic] das Bedingende zum Willen.

//195//                                                                               II. 

Wir machen hier mit der realen Reihe den Anfang. Zur Erleichterung des Gedächtnis [sic] wollen wir die Synthesis in der Mitte A nennen; das zunächst liegende Reale heiße B, das daran sich schließende äußere Reale C; von der andern Seite her wollen wir das zunächst liegende β und das äußere γ nennen. Jetzt reflektieren wir auf B als ein besonderes Denken, es ist das Denlken eines durch die Kausalität des Willens hervorgebracht sein sollenden Realen; versteht sich: eines realen Denkens.

Hier ist zu unterscheiden A) der eigentliche Denkakt, B) wodurch er zusammenhängt mit etwas anderm. Der erste ist leicht zu beschreiben, das Denken findet sich gebunden, es ist mit B ein Gefühl und in Beziehung aufs Denken ein Gefühl der Denknotwendigkeit verknüpft. Es soll ein aus dem Gefühle folgendes Denken sein, dass das Gefühl nicht statt finde bei dem Denken selbst etc. vide supra.

Welches ist nun das damit verknüpfte bedingende Denken, womit sichs an den Perioden anknüpft?

Dass das Ich das Bestimmende dieses Objekts sein soll durch den Zweckbegriff. Diese Vermittelung überhaupt ist das Medium, wodurch das Ich das Objekt sieht, gleichsam das Auge; ich sehe durch mein Machen hindurch das Gemachte, ich weiß unmittelbar nur von meinem Machen. So wie in der Mathematik mit der Konstruktion bewiesen wird.

Das Ich als Bestimmendes ist das Vermittelnde in der Vorstellung des durch mich Bewirkten. Wie wird es gedacht als bestimmend? Wir wollen nämlich genetisch beschreiben, wie für uns ein Bewusstsein des Gemachten entsteht. Das Ich sieht unmittelbar auf sein Bestimmen und sieht ihm zu, an dieses Bestimmen und Modifizieren knüpft in seinem Bewusstsein sich ein Bestimmtes. 

Alle Ansicht ist subjektiv oder objektiv. Ich sehe mein Bestimmen, und zugleich muss ich auch ein Bestimmtes erblicken, nach dem Bestimmen wird das Bestimmte gedacht: ersteres ist das obenliegende Unmittelbare. Dieses Verhältnis heißt: Das Bestimmen oder der Zweckbegriff des Ich soll den Grund enthalten für die Beschaffenheit des Objekts. So kommt der Satz des Grundes ins Gemüt, er bedeutet eben dies Verhältnis, in welchem , wenn es bloß analysiert wird, ein Verschiedenes durcheinander hindurch gedacht [wird].
Nota.
- F. hat die Symbole A, B, β und γ anscheinend an die Tafel geschrieben, um seine mündlichen Sätze zu veranschaulichen. Für uns Leser der Druckfassung muss umgekehrt der gesprochene Text die Symbolik erklä- ren. - F. will an die Stelle der Mechanik der Begriffe die Dynamik der lebendigen Vorstellung treten lassen, das unterscheidet die Wissenschaftslehre von allen anderen philosophischen Systemen. Seine Symbole sollen Hand- lungen repräsentieren, sie sehen aber aus wie Zeichen für toten Stoff.
JE 

In dieser Kate-//196//gorie ist ein vermitteltes Denken wie in allem. Es kann zwar allerdings im diskursiven Denken herauf oder herunter gestiegen werden, aber das ursprüngliche Denken nimmt es so an, dass die Ursache die Wirkung so mache, wie sie ist, dass das Sein von der Ursachen ausgehe und weiter fortgehe. Dieses Denken geht aus von dem Denken meiner selbst, ich finde mich urprünglich als wollend, aus diesem folgt ein Wirken, an dieses in mir liegende Wirken knüpft sich notwendig an ein Bewirktes, da es kein Bestimmen ohne ein Bestimmtes gibt. Das Verhätnis ist, dass das Bestimmte durch das Bestimmende hindurch gesehen wird. -

Man könnte sagen wollen: Der Grund ist das Bestimmende des Bestimmten, oder das in ihm Quantität Gebende. Aber die Wissenschaftslehre weiß bloß von einem Denken, nicht von Bestimmenden und Bestimmten als Objekten. Warum dies geschehen muss, ist schon erörtert: da es Bedingung des Selbstbewusstseins ist, welches ein Subjektobjekt ist. Alles hier Aufgestellte ist ein Teil der Synthesis, durch das allein ein Ich für mich zu Stande kommen kann. 

So viel über die Form, wie das Denken eines Bestimmten ans Denken eines Bestimmenden sich anschließt; jetzt zur Materie: Der Unterschied des Zweckbegriffs und des reellen Objekts, dessen Ansicht durchs erstere vermittelt wird, ist bekannt. Das erstere ist etwas durch bloßes Denken Hervorgebrachtes, letzteres soll das Entgegengesetzte sein. Dies hat wichtige Folgen. Zuvörderst, dieses Objektive und Reelle außer dem Denken, wo ist es denn außer dem Denken? Im Gefühl und fürs Gefühl, das reelle Denken soll Denken fürs Gefühl sein, da das ideale nur sich selbst denkt und darstellt. 

Hier sonach ist der Platz, wo das Denken aus sich selbst herausgeht, sich bezieht auf etwas außer ihm und objektives Denken oder eigentlich Anschauung ist.
Nota.
- Kriterium für Objektivität im speziellen Sinn und für Wirklichkeit ist das Gefühl. Es bleibt bis jetzt aber dabei, dass er unter Gefühl sowohl das fasst, was herkömmlich als Sinnliekeit verstanden wird: die Meldungen des Sinneszellen an die Neuronen im Gehirn, als auch den Denkzwang, das 'Gefühl, nicht anders zu können'. - Solange er aus dieser Vermengung nicht doch noch eine Objektivität und Realität des Denkens selbst sophistiziert, ist es bloß eine Unsauberkeit. Andernfalls wäre es eine Subreption.
 JE

Man kann die gesamte Aufgabe der Wissenschaftslehre so ausdrücken: Wie kommt das Ich dazu, aus sich selbst herauszugehen? 

Dieses geschieht auch durch Vermittelung: die, dass das Ich nun zuvörderst herausgehe aus seinem ursprünglich Reinsten, aus dem Denken; daraus geht es fort zu dem Gefühl, //197// dies vermittelt das Herausgehen aus sich selbst, die Annahme einer Außenwelt. Der Platz nun, wo an das bloße Denken sich etwas anknüpft, was kein Denken ist, ist hier. Hier wird vom Denken fortgegangen zum Gefühl. Aber wenn wir dies noch näher ansehen, so scheint es doch nicht Stich halten zu wollen. Es ist nämlich sonderbar, dass ein bloßes Denken den Grund zu einem Gefühle haben soll.
Nota.
- Das war das Mysterium bei Plotin, Spinoza und Hegel: wie kommt die Substanz überhaupt dazu, ihre Identität zu verlassen und in Akzidenzen zu "emanieren" (E. Lask)? 'Warum ist GOtt Schöpfer geworden' - die Theologie verbietet diese Frage. Der spekulative Pomp der metaphysisch-philosophischen Systeme täuscht dar- über hinweg, dass sie sich an der Frage vorbeidrücken. Wenn sie aber der Theologie nichts Substanzielles hinzu zu fügen haben, wieso konnten sie's dann nicht bei ihr belassen? Die Philosophie ist dann überflüssig.
Der Transzendentalphilosoph Fichte dreht die Frage um. Er setzt nicht erst ein Ich, um es dann, warum auch immer, tätig werden zu lassen; sondern geht aus vom Faktum der vernünftigen Tätigkeit, das aus dem Noumen Ich erklärt wird. Tatsache ist, dass das (noumenale) Ich aus sich heraugegangen ist. Er muss nun nicht seine Phantasie schweifen lassen und raten, was es dazu veranlasst haben könnte. Er muss lediglich heraus finden, wie das möglich war. Eine Notwendigkeit wird nicht behauptet.

Nota II.
- Fichte hat nicht nur die neuzeitliche Dialektik in die Welt gesetzt, er hat auch ihre besondere Termi- nologie geschaffen: Der Begriff der Vermittlung kommt in systematischer Bedeutung anscheinend zuerst bei ihm vor. (Nur von 'Dialektik' hat ernie geredet.
Nota III.
- Es ist sonderbar, dass ein bloßes Denken der Grund zu einem Gefühle sein soll: Das hat er nun erkannt und zugegeben. Wird er nun dies Mysterium lüften?
JE

Das Bestimmen des Ich wird nun selbst in und durch das beschriebene Denken = B zu etwas Anderem, dadurch jedenfalls versinnlicht und wird zur sinnlichen Kraft. Durch Bestimmtheit dieser sinnlichen Kraft soll nun ein Zweckbegriff Ursache sein. Wie es mit dieser Verwandlung zugeht, wird erst unten genetisch geschildert werden. Aber dass es so sein müsse, ist gleich nachzuweisen. 

Nämlich der Zustand des Denkenden in diesem Moment ist doch wohl der eines reellen sinnlichen Denkens; nun wird in demselben Akte das Entwerfen des Zweckbegriffs mitgedacht und erst durch diesen hindurch die Beschaffenheit des Objekts gesehen. Also muss auch das erste sinnlich werden, und sonach ensteht hier abermals ein Spalten, und es kommt in doppelter Ansicht das Ich vor; teils als Zweckgebriff und [teils] als sinnliche Kraft, beides vereinigt und zersplittert dadurch, dass zwei verschiedene Denken stattfinden: reines Denken und sinnliches Denken.

Historisch bekannt sind diese Sätze genung, und derselbe Satz ist schon oben dagewesen, der: Was ist mein Leib? Nichts als gewisse Ansicht meiner Kausalität als Intelligenz, weil ich als Leib durch ein sinnliches Denken Verbreiten im Raum und Verwandeln in Stoff gedacht werde [sic].
Nota.
- Inwischen ist immerhin die Intelligenz Leib geworden; dann wird hoffentlich auch bald das Denken Gefühl werden können.
JE

Noch ist das Verhältnis zwischen den Bestimmenden und Bestimmten zu klären. Ich selbst als Intelligenz soll das Bestimmende sein; ich sehe durch meine Begriffe hindurch das Objekt, es ist das Verhältnis der Dependenz, dass nun das Objekt von meinem Zweckbegriff dependiere; dies kommt bestimmt in der Erfahrung vor. Der gegenwärtig abgeleitete Begriff ist der des Real grundes, weil die Verwandlung im sinnlichen Denken vorgeht, und das angezeigte Verhältnis ist das //198//   der Kausalität. -

Was ist eine Kategorie? Kant sagt, er sei im Besitz der Definition und wolle sie nicht geben, um sich gewissen Einwendungen nicht auszusetzen, deren er sich überheben könne. Dies ist Kant als ehrlichem Manne zu glauben, jene Schwierigkeiten lassen sich wohl auch einsehen; er was nämlich ängstlich, seinen Idealismus unverdächtig darzustellen. Dies wird völlig klar, denn wenn man die verschiedenen Ausgaben der Kritiken* vergleicht, so findet man, dass Kant in der zweiten zurückgegangen ist. Er würde diese Zurückhaltung nicht gebraucht haben, wenn er sich Gewandheit der Sprache zugetraut hätte. Hätte er sie Definition gegeben, so wäre sein System ganz anders erschienen.
*) Ausgaben der KrV 

Die Kategorien sind die Weisen, wie das unmittelbare Bewusstsein zu einem mittelbaren wird; die Weisen, wie das Ich aus dem bloßen Denken seiner selbst herausgeht zu dem Denken eines Anderen. Sie sind nicht etwa etwas Verknüpfendes, sondern sie sind die Weisen, ein Einfaches zu einem Mannigfaltigen zu machen, das Einzelne doppelt anzusehen. 

Die Kategorie der Kausalität ist, da an den Zweckbegriff eine reelle Beschaffenheit als etwas Bestimmtes geknüpft wird [sic]. Es gibt drei Grundkategorien: Substanzialität, Kausalität und Wechselwirkung; übrige gehören nicht hierher, bloß die Kategorien der Relation. 

Ich finde mich als wollend (Grundgesetz), so nur, in wiefern durch meinen Begriff etwas wirklich werden soll. Dies ist Gesetz meiner sinnlichen Erkenntnis. Nun ist diese Wirklichkeit nicht, außer in wiefern sie durch mei- nen Begriff sein soll, sie wird also nicht erblickt, als insofern mein Begriff als Kausalität habend angeschaut wird; nur insofern, wie die Kategorie etwas hinsetzt, produzierend ist. An einen Begriff als einen wirkenden wird die Wirkung erst hinzugedacht; durch die Kategorien wird etwas. 

β erhält selbst besondere Ansicht als bestimmend durch sinnliche Kraft und durch bloßes Denken; dass es aus dem durch bloßes Denken eins durch sinnliche Kraft werden muss, ist gezeigt [sic].
Nota.
- Die Unsicherheit des Ausdrucks lässt es denkbar erscheinen, dass der Protokollant nicht recht ver- standen hat. Mir jedenfalls fällt es schwer, etwas anderes zu glauben. 
JE
//199//                                                                             3.

Der Zweckbegriff oder das Bestimmen des Ich kommt [vor] in doppelter Ansicht: teils als bloßes Ideales, teils als etwas Reales durch physische Kraft; der Grund ist angezeigt: Ersteres ists vom Ich aus als Intelligenz ange- sehen, letzteres ist es, wenn es bezogen wird auf den Effekt in der Sinnenwelt. Wir hätten also in der realen Reihe schon zweierlei, die physische Kraft und das Gefühl, das dadurch im Ich selbst hervorgebracht wird.

Die Hauptsynthesis A bestand in der Vereinigung des Idealen und des Realen. Das nächste Reale wäre jetzt die physische Kraft des Ichs selbst. Die gegenwärtige Aufgabe wäre: den bloßen Zweckbegriff und die reale Kraft zu vereinigen. Wir sagten: Du siehst das durch dich Hervorgebrachte in der Sinnenwelt infolge eines anderen. 

Ich kann in gewisser Rücksicht sagen: Es gibt kein Bewusstsein einer Sinnlichkeit, eines sinnlichen Produkts, sondern ein höheres Bewusstsein, welches sich nur darein verwandelt. Gibts denn ein Bewusstsein z. B. meines Schreibens, Arbeitens an einem Block? Auch nicht, keinesweges, dies ist durch ein höheres Bewusstsein, das Entwerfen eines Zweckbegriffs bedingt. Also hier ist ein Mittelglied eingeschoben worden, nämlich zwischen den Zweckbegriff und das [dadurch] Bewirkte: die durchs reine Denken bestimmte sinnliche Kraft, aber wir gehen nicht unmittelbar darauf. 

Das Resultat des Vorigen ist: Ich schaue das Bestimmen meiner physischen Kraft im Denken des Objekts un- mittelbar an, aber diese physische Kraft ist die meine lediglich, in wiefern auch sie durch den Zweckbegriff er- blickt wird. Es ist demnach die Hauptfrage: Wie wird das bloße reine Denken versinnlicht zur Ansicht einer sinnlichen Kraft? Dies ist die erste Versinnlichung.

Es folgt also
Die Lehre von der produktiven Einbildungskraft.

Um uns den Weg zu bahnen, untersuchen wir erst etwas anderes. Wir orientieren uns eigentlich. Das gegenwärtig überlegte Denken war das reale Denken, es ist vermittelt durch das Denken der Bestimmtheit, einer verursachenden sachlichen //200// Kraft. Diese ist in gewisser Beziehung auch ideal. Es ist demnach hier Synthesis des Idealen und Realen.

(Die Begriffe Ideales uns Reales gelten nur relativ, in den Zwischenräumen liegen Mittelglieder, die ideal und real sind, je nachdem man sie vorwärts oder rückwärts bezieht.)

Diese Synthesis und ihre Bestimmtheit ist wieder durch eine andere Synthesis vermittelt. Wir sehen, dass wir anstatt des obigen Plans, ein einzelnes Denken aneinander zu knüpfen, lauter Synthesen aufstellen. Die ver- mittelnde Synthesis nun, durch welche  hindurch die Bestimmtheit der physischen Kraft bestimmt würde, wäre das Entwerfen des Zweckbegriffs, in der folgendes liegt: das Entwerfende, Tätige, dem - inwiefern es Intelligenz ist - entgegensteht die tätig sinnliche Kraft; zweitens das Bestimmte, was den wirklichen Zweckbegriff hat. 

Beides ist nur durcheinander möglich, dies ist nun selbst in gewisser Rücksicht im Verhältnisse der Idealität und Realität; nur betrachte man diese Objektivität noch nicht sinnlich, es ist bloß von Anhalten und Bestehen des Denkens die Rede, beides ist offenbar beieinander. Im Entwerfen ist die Aussicht auf den künftigen Zweckbegriff, im Realen ist der aufgefasste bestimmte Begriff vom Zwecke. (Wir können sagen: Das Ich entsteht für sich durch eine Synthesis seiner selbst als ideal und real, als bloß denkend und [bloß] fühlend.
Nota.
 - Dass die Wissenschaftslehre den Gang des lebendigen Vorstellens nachzeichne und nicht das Verhältnis definierter Begriffe zueinander, ist keine formale Unterscheidung. Der Begriff ist eingegrenzt, er endet, wo der Nachbarbegriff (den man insofern als seinen Gegen-Satz ansehen kann) anfängt. Im  lebendigen Vorstellen bleiben die Begriffe gleichsam als bloße Markierungen am Wegrand liegen; tatsächlich verweist jeder (reale) Fort-Schritt im Denken schon auf den möglichen nächsten und, wenn man (ideal) rückwärts blickt, noch auf den vorangegangenen. - Es ist ja immer nur ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten, und wo immer man sich befindet, ist - relativ; wie die Unterscheidung von Real und Ideal.
JE 

Was auf der einen Seite liegt: β und γ, nennen wir das ideale Ich, und untersuchen diese Synthesis. Die Hauptsache beruht darauf, zu lernen, wie das Ich sich bestimmend als zu einem Zweckbegriff finde [sic]. - Zuvörderst ist bekannt, dass auf diesem alles Bewusstsein beruhe. Wie setze ich also den Zweckbegriff selbst? Nur inwiefern ich ihn entwerfe und mir dabei zusehe. Ich bin nur tätig und bin mir nur meiner als Tätigkeit bewusst. 

Wie kannst du wissen, dass du denkst? Ich weiß nur von meinem Tun, nur vom Denken, in wiefern ich mein Tun erblicke. Der Zweckbegriff ist nichts Gegebenes, sondern er ist mit meinem Wissen durch mich selbst hervorge-//201//bracht. Dieses mein Hervorbringen ist das eigentliche Objekt meines Bewusstseins. So gehen wir abermals höher. Ich sehe meinen Zweckbegriff nur, in sofern ich meine Tätigkeit in Entwerfung desselben erblicke.



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