S. 151 - 160


Bei Kant kommt das Prinzip der Annahme vernünftiger Wesen außer mir nicht vor als ein Erkenntnisgrund, sondern als ein praktisches Prinzip, wie es in der Formel seines Moral-//151//prinzips aufgestellt ist: Ich soll so handeln, dass meine Handlungsweise Gesetz für jedes vernünftige Wesen werden könne. Aber da muss ich doch schon vernünftige Wesen außer mir annehmen, denn wie will ich sonst dies Gesetz auf sie beziehen?)
Nota.
- Das ist keine Kleinigkeit: Wenn Kant annimmt, ich könne auch ganz für mich allein ein vernünftiges Wesen sein und müsse erst dann, wenn ich mit andern in Verkehr trete, über meine Handeln Rechenschaft ablegen, vermengt er nicht nur unerlaubt Recht und Moralität, sondern er leistet der Annahme Vorschub, dass 'es' die Vernunft 'gibt' - was er wohl selber so gesehen hat, sonst hätte er sich mit der Aufdeckung der Kategorien und der beiden Anschauungsformen kaum begnügen können.

Bei F. dagegen ist die Reihe vernünftiger Wesen, nämlich die Aufforderung, die durch sie ergeht, Bedingung reeller Vernünftigkeit. Vorher mag ich 'an sich' vernünftig gehandelt haben, aber ich brauchte nicht darauf zu achten: Es kam nichts darauf an. Zwar liebäugelt auch er immer wieder mit einer an-sich-seienden Vernunft; aber ebenso reizt ihn der Gedanke, Vernunft könnte aus der gegenseitigen Aufforderung zur Vernünftigkeit überhaupt erst entstehen. Davon ist er durch den Atheismusstreit wieder abgekommen, aber es ist das, was die Wissenschaftslehre heute, wie man so sagt, "anschlussfähig" macht.
JE

[2.] Also das erste und höchste der Ordnung des Denkens nach, das ich finde, bin ich, aber ich kann mich nicht finden ohne Wesen meinesgleich außer mir, denn ich bin Individuum. Also meine Erfahrung geht aus von einer Reihe vernünftiger Wesen, zu welcher auch ich gehöre, und an diesen Punkt knüpft sich alles an. Dieses ist die intelligible Welt; Welt, insofern sie etwas Gefundenes ist, intelligibel, insofern sie nur gedacht und nicht angeschaut wird. 

[3.] Die Welt der Erfahrung wird auf die intelligible gebaut, beide sind zugleich, eine ist nicht ohne die andre, sie stehen im Geiste in Wechselwirkung. 

[4.] Beide entstehen aus den Gesetzen der idealen Tätigkeit, die intelligible aus den Gesetzen des Denkens, die empirische aus den Gesetzen der Anschauung, sie sind etwas Ideales (Noumene), aber keine Dinge an sich.

[5.] Der Grund von beiden ist schlechthin ursprünglich, die Bestimmung des reinen Willens. Wenn man von etwas an sich reden wollte, so wäre es der reine Wille, der sich in der Empirie zeigt als Sittengesetz. Dies bemerkt auch Kant in der Kritik der reinen Vernunft.

[6.] Alles mein geistiges Handeln als solches setzt etwas voraus, worauf es gehe, es ist ein Modifizieren, aber dazu gehört ein Modifizierbares; oder: alles mein Handeln ist ein Überschweben vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Nun muss es etwas Fixiertes geben, woran das Übergehen sich halte. Es muss ein Fortdauerndes, Bestehendes geben. Dieses haben wir gesucht und gefunden als unmittelbares Objekt des Bewusstseins, und diese Bestimmtheit des reinen Willens ist der Erklärungsgrund alles Bewusstseins. 

[7.] Der gegenwärtige Paragraph verhält sich zu den vorhergegangenen so: In den vorigen wurde nur der Weg gebahnt, im gegenwärtigen ist der Punkt aufgestellt, von welchem alles andere abgeleitet wird, und die Schwierigkeit ist gelöst.
Nota. 
- Hat er das bewiesen: dass die Reihe vernünftiger Wesen - als unmittelbares Objekt des Bewusstseins - zusammenfalle mit der Bestimmung des reinen Willens? Das muss ich mir erst nochmal ganz genau ansehen! Jedenfalls ist das nicht der Punkt, an dem er seine Darstellung begonnen hat. Das war vielmehr die Frage, wie wir zu der Annahme kommen, dass den Vorstellungen in unserm Bewusstsein etwas außerhalb des Bewusst- seins entspreche: Er hat unserm Vorstellen bei seiner Tätigkeit zugesehen. Von da aus ist er nun zu dem festen Punkt gelangt, der unserer Vorstellungstätigkeit - dem Schweben von Unbestimmtheit zu Bestimmtheit - ein Fortdauerndes, Bestehendes gibt, von dem sie alles andere ableiten kann: Es ist die Annahme einer intelligiblen Welt, die angeschaut wird in den andern Individuen meinesgleichen, aber gedacht wird als eine Reihe vernünftiger Wesen. - In einem gewissen Sinn fängt hier das System der Wissenschaftslehre eigentlich erst an. JE 
//152//
§ 13 [Zusamnnenfassung]

Reelle Wirksamkeit ist nur möglich nach einem Zweckbegriffe und ein Zweckbegriff nur unter der Bedingung einer Erkenntnis, und diese [ist] nur unter der Bedingung einer reellen Wirksamkeit möglich; und das Bewusstsein würde durch einen Zirkel, und also gar nicht erklärt. 

Es muss daher etwas geben, das Objekt der Erkenntnis und der Wirksamkeit zugleich sei. Alle diese Merkmale sind nur in einem allem empirischen Wollen und aller empirischen Erkenntnis vorauszusetzenden reinen Willen vereinigt. Dieser reine Wille ist etwas bloß Intelligibles, wird aber, inwiefern er sich durch ein Gefühl des Sollens äußert und zufolge dessen gedacht wird, aufgenommen in die Form des Denkens überhaupt als ein Bestimmtes im Gegensatz eines Bestimmbaren, dadurch werde ich das Subjekt dieses Willens, ein Individuum, und als Bestimmbares dazu wird mir ein Reich vernünftiger Wesen.

Aus diesem reinen Begrifffe lässt sich ableiten und muss abgeleitet werden das gesamte Bewusstsein.
 Nota.
 - Ist das die oben erbetene Präzisierung?
Als wollend hatte ich mich von Anbeginn vorgefunden, sonst hätte ich mit dem Bestimmen - Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten - gar nicht erst angefangen. Auf dem Weg der Fortbestimmens fand ich mich schließlich als zum Bestimmen bestimmt: Ich habe nicht aus freien Stücken angefangen, sondern habe ein reines Wollen mir vorausgesetzt gefunden, das mir eben darum als ein Sollen vorkommt. Erst so wurde ich Individuum.
Warum muss mir aber die Sphäre meines Sollens, das Reich des Bestimmbaren außer mir, als eine Reihe ver- nünftiger Wesen vorkommen? Weil ich ein bestimmtes Individuum bin und mir das andre Bestimmbare in dieser Sphäre seinerseits als (durch sich selbst, wie wir finden werden) zu bestimmende Individuen vorkommen muss? Oder weil ich Individuen, die mich zur Vernunft auffordern, bereits vorgefunden habe? - Das ist zweierlei, da bliebe noch viel zu klären.
JE

§ 14

Ein Gefühl ist mir nur möglich, inwiefern im System der Sensibilität eine Veränderung vorgeht, und aus dieser entsteht eine objektive Erkenntnis. Diese aber ist nicht möglich außer infolge eines Handelns, in wiefern ich mich als Ursache denke. Ich denke mich aber als Ursache, wenn ich das Mannigfaltige des Erfolgs beziehe auf das reine Wollen. Dieses Wollen ist ein ursprünglich Bestimmtes, nicht aber ein empirisch Bestimmtes oder Bestimmendes; ein reines Wollen, inwiefern es sich als Sollen äußert.

Nun muss das Wollen, wodurch die Veränderung  der Gefühle als etwas Empirisches hervorgebracht werden soll, selber ein empirisches sein, denn die Bestimmtheit der Gefühle wird erklärt aus der Bestimmtheit des Willens. Aber wenn der Wille nicht auf solche Gefühle bezogen wird, so ist kein Wille. Mithin erklärt der reine Wille nichts. 


Unsere Aufgabe ist jetzt: Wie wird der reine Wille zum empirischen?
Nota. 
- Es wird nicht behauptet, zuerst hätten die Menschen einen reinen Willen, danach würde er durch mannigfaltige dialektische Operationen zu einem empirischen. - Hier geht es immer um die Erklärung des Bewusstseins aus der wirklichen Vorstellungstätigkeit. Das Grundschema ist immer dies: Ich finde mich als dieses oder jenes tuend oder getan habend. Ich muss daraus schließen, dass ich es gekonnt habe. Diese Anschauung wird mir zum Begriff eines Vermögens. So muss der wirklich Wollende seinem wirklichen Wollen die Fähigkeit zum Wollen voraussetzen: Die konkrete Vorstellung ist nicht ohne die reflexive Hpostase der abstrakten Vorstellung "möglich"; d. h. möglich ist sie schon, solange ich nicht denke; wenn ich aber denke, muss ich so denken.
JE

//153//
Vorläufige Erläuterung durch Beispiele.

1) Ich schiebe ein Objekt im Raume fort, dieses Fortschieben bemerke ich, d. h. das Objekt kommt jetzt in diesen, dann in einen andren Ort usw.. Das Objekt wird durch nichts bestimmt als durch meine Wollen, alle Ortsbestimmung bezieht sich auf mein Wollen, und nur dieses ist absolut. Alles Erkennen und Werden im Raume hängt von meinem Willen ab. Wenn dies nun so ist, so muss mein Wille selbst sich auf diesen Raum beziehen, der Raum aber ist etwas Empirisches. Der Raum kann nur in der Erfahrung da sei. Nun soll aber der reine Wille der Erfahrung vorausgehen, er reicht also zu einer empirischen Erklärung nicht aus

2) Ein Zweckbegriff ist nur durch objektive Erkenntnis möglich, diese aber nur unter Voraussetzung eines Zweckbegriffs. Dieser Zirkel ist nur halb gelöst; ein Zweck ist wohl aufgestellt, aber kein sinnlicher. Wie wird nun der ursprüngliche Zweck versinnlicht, oder wie bezieht er sich auf die Sinnenwelt? Würde die Frage erhoben, um eine Sittenlehre aufzustellen, so hieße sie: Wie erhält das Sittengesetz Anwendbarkeit? Vide Fichtens Sittenlehre. 

Es ist uns hier um die Ableitung der Weltbegriffe zu tun; diese sollen vom reinen Willen abgleitet werden, dieser ist aber dazu nicht brauchbar, weil er eben rein ist.
 
Das Denken als solches, als sich Etwas Denken, ist das Mittelglied zwischen dem Intelligiblen und der Sinnen- welt. Durch das Denken sonach müsste der reine Wille versinnlicht werden, und zwar nicht nur so, dass etwas Objektives in demselben zugleich mitgedacht würde, sondern auch, dass er lediglich durchs Denken zu einem empirischen Willen würde. 
Nota. 
- Nur durch Denken wird reell dem empirischen Wollen ein reiner Wille zugrunde gelegt. Aber hier wird von der Tatsache der Bewusstheit ausgegangen, also erscheint das Bedingungsverhältnis umgekehrt. 
JE  

Was gedacht wird, kommt unter die Gesetze des Denkens. Nun sind wir uns nicht der Gesetze des Denkens bewusst; dieses Bewusstsein gibt uns erst die Philosophie.

Der reine Wille ist als Idee gedacht worden; wird er nun gedacht oder nicht? Wird er überhaupt nicht gedacht, so können wir nicht davon sprechen; wird er aber gedacht, so fällt er in die Gesetze des Denkens und wird sinnlich.

Der reine Wille wird betrachtet seiner Form nach als Übergehen, als Bestimmtheit, der eine Bestimmbarkeit entgegengesetzt wird; wodurch das Ich Individuum wird. Dies ist aber //154// nur eine formelle Versinnlichung, es könnte aber auch sein, dass er materialiter versinnlicht und empirisch würde; dies ist aber hier eine bloße Voraussetzung.

Vorläufige Untersuchung

1) Ist der Zustand des Ich vor allem [als] Gefühl, Anschauung und Denken zu schildern, als das Eigentlich, das a priori ist? Dadurch wird nichts wirklich bedeutet, es ist eine Idee (eine Hilfslinie), etwas Vorauszusetzendes, um zu erkären, was eklärt werden soll. Die Schwierigkeit dabei ist, dass wir nur nach den Gesetzen des Den- kens denken können. Wir müssen also von allem abstrahieren, wovon wir können, und ihn nur in sofern in die Form des Denkesn aufnhehemen, als wir müssen.
Nota I.
- Während er sonst 'Idee' als Projektion auffasst, fasst er sie hier als Hypostase.
Nota II.
- Dies schält sich immer mehr als die eigentlich Black box, als das wirkliche Problem der Wissenschafts- lehre heraus und ist uns bereits unter dem Titel 'Denkzwang' begegnet: Was hat es mit den 'Gesetzen des Denkens' auf sich?  Es ist der harte Kern der Frage: Liegt die Vernunft der vernünftigen Tätigkeit zu Grunde oder ist sie deren Produkt? Die erste Antwort ist offenbar dogmatisch, die zweite kritisch und transzendental; und übrigens pragmatisch. Fichte hat zunächst zwischen beiden Möglichkeiten geschwankt - bis er schließlich, aus eigentlich außerphilosophischen Gründen, doch die erstere, dogmatische Auffassung zurückbehielt.
Fassen wir Vernunft als etwas auf, was sich im allgemeinen (öffentlichen =) kritischen Verkehr als ihr irreduzibler Kern herausbildet, ist sie übrigens a priori sinnlich. Nur in der Reflexion kann sie als rein(er Wille) gedacht werden. 
(Fichte muss schließlich zur Plausibilisierung seines dogmatischen Vernunftbegriffs zum schwindelerregenden Postulat eines Normalsvolks greifen, das 'von Anfang an' Vernunft gehabt hätte (von wem? Dreimal dürfen Sie raten!) und durch die Zufälligkeiten der Geschichte über die ganze Welt zerstreut wurde; weshalb es heute in jedem Land ein paar Vernünftige gibt, die die andern 'auffordern' können. 
(Die evolutionsbiologische Herleitung unserer Vorstellungsmöglichkeiten wirkt dagegen kleinlich und prosaisch; aber auch nüchtern.)
 JE

Mein Wille ist ursprünglich bestimmt, diese Bestimmtheit meines Willens macht meinen wahren Charakter als Vernunftwesen aus. Diese Bestimmtheit kann auf zweierlei Arten angesehen werden: 

1) als Wille der Form nach, als Tendenz, als etwas, zufolge dessen etwas anderes gefordert wird; 2) als ein Sein, als Beschaffenheit meiner selbst, insofern ich das Wollen betrachte als Objekt einer Anschauung, die wir zwar noch nicht haben, auf die wir uns aber doch hier beziehen müssen, um etwas denken zu können. Der Charakter des Wollens ist ein Fordern außer dem Wollen; dies außer dem Wollen kann hier noch nicht erklärt werden.

In diesem Wollen nun in der letzten Rücksicht ist nun mein ganzes Sein und Wesen bestimmt für einmal in alle Ewigkeit. Ich bin nichts als ein so Wollendes, und mein Sein ist nichts als ein so-Wollen. Dies ist die ursprüngliche Realität des Ich, dies geht aus allen unseren Untersuchungen hervor; denn nur ein reines Wollen ist fähig, unmittelbares Objekt des Bewusstseins zu sein. 

Aber als Wollen können wir es nicht bezeichnen, denn es sind keine Objekte da, auf welches es sich beziehen soll; als Sein auch nicht, denn es ist kein Bewusstsein da, für welches es sein könnte. 

Einwurf: Aber im Ich ist ja ideale und reale Tätigkeit vereinigt, das Wollen kann sonach auf ideale Tätigkeit bezogen werden. Antwort: Dies ist unmöglich, da ideale Tätig-//155//keit unter dem Gesetz steht, nur teilweise aufzufassen, oder weil die endliche Intelligenz nur diskursiv ist. Das Aufgezeigte ist nun mein ganzer Zustand, dieser kann also auch nur teilweise aufgefasst werden. Das Fühlen, Anschauen, Denken der Intelligent ist nur ein Übergehen von einem zum anderen. Nun ist eber ein Übergehen nicht möglich, wenn es nicht in dem entstehenden Mannigfaltigen Glieder gibt (die oben aufgezeigten Gefühle), die nur auf einmal aufgefasst werden können. -

Wenn unser Zustand ein einmal aufgefasst würde, so würde nicht übergegangen, und so würde nichts Ganzes aufgefasst. Was ist nun das Ganze dieses Zustandes? Nach dem soeben Gesagten ist es Synthesis des Wollens und des Seins, Beziehung beider auf einander, welches beide nicht zu trennen ist.

Ein einzelner Teil aufgefasst und auf den Willen bezogen bedeutet Befriedigung, aber da es nur ein einzelner Teil ist, auch Beschränktheit. Also [meine] Kausalität und Beschränktheit werden unzertrennlich sein. Dadurch, dass es Kausalität ist, ist es etwas für uns, denn wir können uns nur im Wirken anschauen; dadurch, dass es begrenzt ist, wird es ein Fühlbares, Anschaubares, Denkbares, ein Quantum.* Mein wahres Sein ist Bestimmtheit meines Wollens; dadurch ist nun auch mein ganzer Zustand bestimmt, denn Zeit, Fortgehen in der Zeit, ist nur zu Folge unseres Denkens. Ich werde nicht in der Zeit, ich bin auf einmal fertig für immer. Dieses ganze Sein wird aufgefasst in der Zeit, und dadurch wird erst für das Denken ein Werden in der Zeit.

Das Gefühl ist Affektion unserer selbst, es wir im Gefühle uns etwas angetan; es muss also etwas in uns sein, dem es angetan wird, und dies ist unser Handeln, aber es ist für uns nichts ohne Beschränktheit, und Beschränktheit nicht ohne Handeln, daraus besteht nun das Fühlbare. Durch das Handeln ist es für uns; dadurch, dass es beschränkt ist, ist es Gegenstand des Gefühls. Alles unser Bewusstsein geht aus von einer Wechselwi kung des Handelns und der Beschränktheit, beides ist beisammen, und dies ist das Objekt des Gefühls.

//156// Bei dieser Affektion darf man nicht denken an Zeit, sondern es ist unser Zustand. Ich bin bestimmt ursprünglich. Es ist Sein, und zwar beschränktes Sein, dies fasse ich auch nur auf eine beschränkte Weise auf. Überall ist Tun und Beschränktheit. - Das Gefühlsvermögen ist ideal, es ist der Ursprung alles Anschauens, von ihm kommt erst alles unser Denken in der Zeit.
*[Quantum ist alles Begrenzte, Verhältnismäßige; aber nicht unbedingt Menge im Raum; JE]
Nota.
- Wirklich ist, was in Raum und Zeit geschieht. Ich, Wollen, Denken, Handeln sind Noumena; gedacht allein, um das Wirkliche in Raum und Zeit als sinnhaft verstehen zu können. Ausgngspunkt der Darstellung war aber das Vorstellen selbst  und ihr Fortschreiten. So muss es scheinen, als wären die Noumena an sich und vor aller Zeit 'da' - und fielen erst dann in Raum und Zeit. - So fasst es das dogmatische Bewusstsein auf, das unsern Alltag regiert, und diese Verkehrung aufzudecken ist Sinn und Zweck der Kritischen bzw. Transzen- dentalphilosophie, denn der Ort dieser Verkehrung ist das empirische Ich: Es hält sich für ein Objekt, wo es sich für ein Subjekt halten sollte. Und das ist der Sinn, den es aufzufinden galt.
JE

Anmerkung: Aus einer usprünglichen Beschränktheit, aus welcher die besonderen Gefühle hervorgingen, war schon oben die Rede. Wir nannten es unseren Zustand überhaupt, wir redeten auch von einer Veränderung in diesem Zustande. Dies sehen wir hier weit bestimmter ein. 

Die reale Tätigkeit ist beschränkt durch unser Wollen, durch die Individualität, darüber können wir hinausdenken und denken vernünftige Wesen außer uns hinzu. Die ideale Tätigkeit ist beschränkt, und unser Zustand kann nur allmählich und zwar in bestimmten Massen aufgefasst werden. Durch die letzte werden wir etwas für uns, durch die erste bestimmen wir uns durch Vernunftwesen außer mir. Dieses in die äußere Anschauung aufgenommen, gibt uns die Sinnenwelt. Das Mannigfaltige in mir und das Mannigfaltige außer mir stehen in Wechselwirkung.

Jedes Einzelne in mir wird bestimmt durch das Übrige in mir und umgekehrt. Alles aber kommt her aus dem absoluten Sein und aus dem absoluten Beschränktseins im Auffassen dieses Seins. In realer Rücksicht bin ich nicht alles, in idealer kann ich, was ich bin, nicht auf einmal auffassen.
Nota.
- Ein absolutes Sein - das hatten wir noch nicht. Hier ist aber lediglich gemeint das als absolut gedachte Sein des Ich, das dem realen Ich als reines Wollen vorausgesetzt wird.
JE

2. Jetzt, da das eigentlich Reale in Absonderung aufgestellt worden ist, soll gesprochen werden von dem Idealen in Rücksicht auf dasselbe, nämlich auf unseren Zustand.

Eine solche ideale Tätigkeit, die auf etwas schon Vorausgesetztes geht, heißt Reflexion.

A) Die Reflexion ist schlechthin frei in der Wahl des Mannigfaltigen, auf welches sie geht, es ist kein absoluter Grund da, warum sie dies oder jenes wähle. 


(Ich bin da nach meinem ursprünglichen Sein, darauf soll reflektiert werden; durch die Reflexion und die Ge-//157//setze,  an welche die Reflexion gebunden ist, wird mein Sein ein Mannigfaltiges.

Das Reflektieren ist Ich und zwar ideales Vermögen, welches durch die oben aufgezeigte Bestimmung des realen Ich nicht bestimmt ist. Aber es ist Charakter der Ichheit, sich schlechthin selbst zu bestimmen, absolut Erstes, nie Zweites zu sein; die Reflexion ist also absolut frei. Diese absolute Freiheit der Reflexion ist selbst etwas Übersinnliches; in der Gebundenheit, nur auf Teile und nur auf solche [?] Teile reflektieren zu können, tritt erst das Sinnliche ein. Hier ist der Vereinigungspukt der übersinnlichen und sinnliche Welt angegeben.

Die in dieser Reflexion entstehende Bestimmtheit ist Abbildung meiner selbst im Kleinen, aber kein Ich ohne absolute Freiheit, sonach muss auch diese darin vorkommen.

Diese Freiheit der Reflexion ist auch auf der andern Seite empirisch, und ein empirisches Ich ist nur möglich durch diese Freiheit; das Wesen der Empirie besteht in diesem allmählichen Auffassen und Hinzusetzen (dies ist sinnlich). Aber in diesem Auffassen und Hinzusetzen besteht die Freiheit (dies ist übersinnlich). Wir haben hier die Synthesis der Freiheit und der Empirie der Reihenfolge, eins kann ohne das andere nicht sein. Das Intelligible ist nur, in wiefern es zur Reihenfolge hinzugedacht wird, um das Mannigfaltige in ihr zu vereinigen; die Reihenfolge ist nicht möglich ohne die Freiheit, da sie erst durch die Freiheit der Reflexion zu Stande kommt.

Hier haben wir den wahren Entstehungspunkt des Bewusstseins, die Freiheit der Reflexion.
Nota. 
 Das 'eigentlich Reale' ist unser 'Zustand'. Das ist einmal ein klares Wort. 'Ideal' ist meine Reflexion auf denselben. Reflektieren kann ich auf meinen Zustand aber nicht als auf ein Ganzes, ich löse ihn auf in Mannig- faltige, diese müsste ich eines nach dem andern auffassen und eins zu den andern hinzufügen: Das ist das Em- pirische (also eigentlich Sinnliche) daran; aber welches von den Mannigfaltigen ich wähle und ob ich überhaupt wähle, ist Sache meiner Freiheit, und die ist das Intelligible daran. (Will sagen: In welche 'Teile' und in 'wieviele' ich meinen 'ganzen Zustand' vermannigfaltige, ist Sache meines Wollens.) 
F. scheint die Freiheit hier aber nur auf die 'Reihenfolge' beziehen zu wollen. Ich glaube hierin Kants transzendentale Synthesis wiederzuerkennen. Unklar bleibt mir: Frei bin ich in der Wahl, in welche und in wieviele Mannigfaltige ich meinen ganzen Zustand zerlege. Aber mein ganzer Zustand soll es am Schluss der Reihenfolge doch wieder werden, nicht wahr? Welches ist das Kriterium? Und liegt auch dies in meiner Freiheit? 
JE

B) In dieser freien und absolut höchsten Reflexion erscheine ich mir als wollend. Diese Reflexion erscheint mir nicht als solche, sondern als Wille. 

Oben wurde gesagt: Das Objekt der sinnlichen Wahrnehmung müsste uns vorkommen als etwas unabhängig von unserer Reflexion Vorhandenes. Hier ists gerade umgekehrt. Hier wird die Reflexion als solche nicht gesetzt noch von ihrem Objekte abgesondert gedacht; sonach erscheint hier nur das Objekt, und zwar als Teil meines Zustands, also als Teil meines reinen Wollens. Es kommt sonach vor ein Wille und nichts //158// anderes, also ich finde ein reines Wollen; dies ist nun völlig das oben beschriebene reine Wollen selbst.

Resultat: An sich, das heißt, wenn das Bewusstsein vom transzendentalen Gesichtspunkt völlig erklärt wird, will ich nicht in der Zeit und mein Wille ist nichts Empirisches, wohl aber reflektiere ich in der Zeit auf meinen reinen Willen, und zwar mit absoluter Freiheit in Absicht auf die Folge in diesem Willen, und diese Reflexion selber wird mir zum empirischen Wollen in der Zeit.

Jene freie Reflexion ist bestimmt das, was man Freiheit der Willkür, auch Freiheit der Wahl nennt. Sie ist etwas selbst durch das Denken Hervorgebrachtes, aber ein notwendiger Gedanke. Man muss sie daher  nicht für eine Täuschung erklären oder darüber hinausgehen wollen, weil man über dien Gesetze des Denkens nicht hinausgehen kann.
Nota I.
- Verstehe ich das richtig? An sich ist mein Wille rein. Aber sobald ich auf ihn reflektiere, fällt er in die Zeit, und meine Reflexion ist absolut frei in Hinblick auf die Wahl der erwünschten Folge. Es ist diese Wahl, die meinen Willen zu einem empirischen macht. Muss ich etwas wählen? Ich bin doch frei! Kann ich das Wählen unterlassen? 
Nota II.
- Doch dies ändert sich dadurch nicht: Das Ich, von dem hier die Rede ist, ist ein Noumenon, ein lediglich meiner empirischen Person als deren Sinn Hinzugedachtes. Ich muss nicht klären, wie meine empirische Person zu einem noumenalen Ich wurde - das hat die Wissenschaftslehre bereits in ihrem ersten Gang besorgt. Jetzt muss ich einsehen können, wie es möglich wäre, dass ein solches als rein Gedachtes empirisch wird.
JE

Also ist es auch möglich, dass die ideale Tätigkeit nicht auf einen Punkt gerichtet sei? O ja. Die Reflexion ist frei in der Wahl dessen, worauf sie geht, und ist überhaupt frei, zu reflektieren oder nicht. Aber dies ist erst möglich, wenn schon reflektiert worden ist in der Zeit, Wunsch und Deliberieren sind nur möglich, inwiefern gewollt worden ist; das Bewusstsein hebt mit dem Wollen an.
Nota.
- Fichtes Projektionsfläche ist der Raum. Soll das reine Wollen wirklich werden, muss es sich in den Raum werfen - und dort ist es kein Punkt, sondern eine Richtung, denn es will wirken. Irgendeine Richtung muss es nehmen, nolens volens. Da es frei ist, kann es die eingeschlagene Richtung - und jede folgende andere - verwer- fen. Die Enthaltung vom Wollen ist ein Willensakt, und nicht einmal ein leichter.
JE

Unsere Frage war: Wie ist empirisches Wollen möglich? Auf das Wollen wird einzeln oder teilweise reflektiert; dadurch ist nun erst ein Teil unserer Frage beantwortet. Unsere ganze Frage war nach der empirischen Bestimmtheit des Willens durch ein Objekt; sonach ist die Frage noch nicht ganz beantwortet. 

3. Das reflektierte Wollen oder Reflexion, die nach dem Obigen als ein Wollen erscheintn, soll nur ein Teil unseres reinen Wollens sein. Der Teil soll sonach von allem anderen möglichen Wollen unterschieden sein, und nur durch diesen Unterschied wird das Wollen ein bestimmtes Wollen für die Reflexion.

//159// Ein Wollen unterscheidet sich von einem anderen Wollen durch das Objekt, worauf es geht, denn der Form nach (das Wollen als Wollen) ist alles Wollen gleich. Mithin ist die postulierte Reflexion auf den reinen Willen nicht möglich ohne Kenntnis der Objekte. Woher nun diese Erkenntnis? Dies ist nun wieder die alte Frage nach dem Zweckbegriffe. Ich kann nicht wollen, ohne ein Objekt zu wollen.

(Wir, die wir schon Bewusstsein haben, können ein verschiedenes Wollen unterscheiden, weil wir schon Kenntnis der verschiedenen Objekte haben; hier sind wir aber beim Anfange alles Bewusstseins [vide Naturrecht].)


Lösung der hier sich aufdrängenden Schwierigkeiten.

A) Nach N° 1 dieses Paragraphen ist mit dem Willen als solchen schon ein Sein verknüpft, sonach ist mit der Reflexion auf den Willen auch die Reflexion auf ein Sein (d. h. auf ein Objekt) verknüpft. Beides, Sein und Wille, ist eins, nur angesehen von verschiedenen Seiten, bezogen auf die verschiedenen Gemütskräfte. (Ich will X, in sofern geht mein Gedanke auf etwas außer mir. Ich will X, in sofern geht er auf mich.)

Auf das erste, das Wollen (das unter B beschriebenen empirische Wollen) geht ein bloßes reines Denken, und dies ist das einzige reine Denken, was im wirklichen Bewusstsein vorkommt. Auf das zweite, das Sein, geht eine Anschauung und mit dieser auch das Denken, denn keine Anschauung ist ohne Begriff; dies ist aber kein reines, sondern objektives Denken. Denken und Anschauung sind notwendig vereinigt, und in dieser Vereinigung entsteht die Vereinigung des Denkens und Wollens selbst im Ich. Sonach sind Sein und Wollen notwendig verknüpft.

Aus der Anschauung entsteht das Sein unserer selbst. Dieses Sein, auf welches die Reflexion geht, ist das reine Wollen selbst, und hier inbesondere das reine Wollen, in wiefern es angeschaut wird. Hier ist aber offenbar die Rede von einer äußeren Anschauung, denn die Form der inneren Anschauung, die Zeit, ist nur Form des Intelligiblen. Die //160// Form der äußeren Anschauung ist der Raum, und das Objekt derselben ist notwendig Materie im Raume, mithin würde dieses Sein Materie im Raume, und mit der Reflexion auf den Willen wäre eine Anschauung des materiellen Seins notwendig verknüpft.


Das reine Wollen ist vor allem empirischen da, und was wir anschauen, ist das reine Wollen selbst - unter der Form der sinnlichen Anschauung erblickt. Ein Sein, das durch das reine Wollen bestimmt ist und Materie im Raume ist, das die ursprüngliche Kraft unseres Wollens selbst ausdrückt, ist unser Leib, in wieferen er Werkzeug ist. 

Unser Wollen in der Zeit ist schon aufgenommen in die Form des Denkens. Nun ist unser empirisches Wollen von der Art, dass durch dasselbe etwas unmittelbar da sein soll (z. B. ich kann durch bloßen Willen unmittelbar meine Hand oder meinen Fuß bewegen). Aber mein empirischer Willen ist nichts als ein Denken meines reinen Willens, sonach müsste durch meinen reinen Willen meine Hand oder mein Fuß in meine Gewalt gekommen sein; es ist also mein reiner Wille selbst in der Form der äußeren Anschauung, als Materie im Raum.

Der scharf bestimmte Begriff des Leibes ist: Mein Leib ist das, was in der bloßen Gewalt der Willkür steht (sofern er artikuliert ist). Der transzendentale Begriff des Leibes ist: Er ist mein ursprüngliches Wollen, auf- genommen in die Form der äußeren Anscheuung.

Ich und mein Leib, ich und mein Geist heißt dasselbe. Ich bin mein Leib, in wiefern ich mich anschaue; ich bin mein Geist, in wiefern ich mich denke. Eins aber kann ohne das andere nicht sein, und dies ist die Vereinigung des Geistes mit dem Leibe.
Nota. 
- 'Unser Leib, in wiefern er Werkzeug ist'... Werkzeug wofür? Werkzeug zur Vernunft: Der Zweck, das Pragma der Wissenschaftslehre sei nie vergessen - die Vernunft begreiflich zu machen. In Hinblick auf diesen Zweck erscheint das reine Wollen als 'vor dem empirischen da'; als ein substanzielles Vermögen, das am Objekt erst zu realisieren ist. Und do erscheint mein Leib, was immer er unter Gottes weitem Himmel sonst auch noch sein mag, allein als Werkzeug meines Willens.
Ich muss die Vernunft nicht erklären. Aber wenn ich es tue, muss ich es so machen. Wer eine bessere Erklärung hat, soll es nur sagen.
JE

Resultat: Mit der Reflexion auf das reine Wollen ist Anschauung eines Objekts (meines Leibes) verbunden, von der Wahrnehmung desselben (des Leibes) geht alle sinnliche Wahrnehmung aus.
Nota.
- "Alles Bewusstsein ist sinnlich"
Aus der Abstraktion, von der die Wissenschaftslehre (in ihrem 2. Gang) ausgegangen ist - nämlich vom Ich -, folgten weitere Abstrakta. Langsam konkretisiert sich nun das Bild, und wir gehen zur Sinnlichkeit über: Nur in der Vorstellung des Philosophen beginnt das Bewusstwerden beim Ich. Der Bewusstwerdende selbst beginnt beim Wahrnehmen des eigenen Leibes.
JE











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