S. 101 - 110



Der Vereinigungspunkt beider Anschauungen ist der: dass reine Gebundenheit in der ersten Anschauung gesetzt werden kann, ohne dass ihr Freiheit entgegengesetzt werde. Alle Freiheit kommt aber dem Ich zu, und lediglich dadurch wird die letztere Anschauung [zur] An-//101//schauung des Ich. Eine Anschauung aber mit Bewusstsein des Anschauenden heißt Begriff. Sonach entsteht durch die postulierte Veränderung im System der Gefühle der Begriff des Ich und des NichtIch.
Nota.
 - Eine Anschauung mit Bewusstsein des Anschauenden heißt Begriff - so kurz und knapp hatten wir das noch nicht. Es heißt auch: Der Begriff hat in transzendentalem Gebrauch mit einer 'Reihe vernünftiger Wesen' und ihrem etwa tatsächlichen System der Begriffe noch nicht zu tun. Dieses kommt in der Transzendentalphilosophie gar nicht vor, denn es wäre etwas Empirisch-Historisches: dieses System dieser Begriffe (=diese Vorstellung von 'der Welt')
JE
Weihnachtsferien 

WIEDERHOLUNG DES BISHER VORGETRAGENEN 

Der Inhalt der gesamten Wissenschaftslehre lässt sich kurz in folgenden Worten vortragen: 

Dass ich mir überhaupt etwas bewusst werden kann, davon liegt der Grund in mir, nicht in den Dingen. Ich bin mir Etwas bewusst; das einzige Unmittelbare, dessen ich mir bewusst bin, bin ich selbst; alles andre macht die Bedingungen meines Selbstbewusstseins aus. Vermittelst des Selbstbewusstseins mache ich mir die Welt bewusst. - 

Ich bin mir Objekt des Bewusstseins nur im Handeln. Wie ist die Erfahrung möglich? heißt: Wie kann ich mir meines Handelns bewusst werden? Auf die Beantwortung dieser Frage geht alles aus, und wenn sie beantwortet ist, so ist unser System geschlossen.

Bis jetzt haben wir dies gefunden: Ich muss, wenn ich mich als handelnd setzen soll, mir irgend eines Zweckbe- griffs bewusst werden. Mit der Beantwortung der Frage: Wie ist ein Zweckbegriff möglich? beschäftigen wir uns noch. Bisher haben wir gesehen, wie ein Begriff überhaupt möglich sei. Eigentlich ist von allem, was wir bisher aufgestellt haben, nichts ganz möglich, bis wir zu Ende sind, denn wir haben noch immer Bedingungen der Möglichkeit aufzustellen. Die Möglichkeit des Einzelnen lässt sich nur aufzeigen, wenn die Möglichkeit des Ganzen dargetan ist. 

Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge-//102//wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.

Wir sind so verfahren: Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Gefühl; ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühle muss eine Veränderung stattfinden, dies ist Bedingung des Bewusstseins. Ich bin in der Beschränktheit beschränkt, werde also auch in der Anschauung Y beschränkt. Aus jeder Beschränkung entsteht ein Gefühl, mithin müsste auch hier ein Gefühl entstehen, das Gefühl des Denkzwangs, und mit diesem [die] Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das Anschauende selbst gesetzt wird, die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein Begriff vom Dinge, hier von Y.
Nota.
 - Wie kann aus der Beschränkung der idealen Tätigkeit ein Gefühl entstehen? Er wiederholt sich nur, er kommt nicht vorwärts. Das, was mir als Denkzwang widerfährt, soll gleichgesetzt werden mit etwas Sinnlichem. Wie soll das geschehen: Der Denkzwang fande Eingang ins System meiner Sensibilität und verändert damit meinen Zustand - ? Doch auf den (veränderten) Gesamtzustand dieses Systems der Sensibilität muss ich reflektieren, damit sich das Ich als ein solches anschauen kann.
  - Es bleibt eine Ungereimtheit. Er sagte gelegentlich, er wolle gar nichts bewiesen haben, wenn man ihm auch nur einen einzigen Fehler in einer seiner Ableitungen nachweisen könnte. Da hat er natürlich den Mund zu voll genommen, aber der Gedanke liegt nahe: Wenn dass System ein solches sein soll, muss es lückenlos geschlossen sein. Bleibt der Trost: Dass in einer Darstellung des Systems ein Fehler vorkommt, bedeutet nicht, dass das System selbst einen Fehler hat.
JE

§ 9

Es war schon im vorigen Paragraphen die Frage nach dem Vereinigungsgrund des Begriffs mit dem Ich; oder: Wie komme ich dazu zu sagen: Alles ist mein Begriff? 

Das Ich war bisher ein Fühlendes, es müsste auch das Begreifende sein; der Begriff müsste mit dem Fühlen notwen- dig vereinigt sein, so dass eins ohne das andere kein Ganzes ausmachte. Im Selbstgefühl ist Gefühl und Begriff vereinigt. Ich bin gezwungen, die Dinge so anzusehen, wie ich sie ansehe; wie ich mich selbst fühle, so fühle ich diesen Zwang mit.

So ist bisher das Ich als das Begreifende selbst begriffen worden. Wir wollen jetzt weiter gehen: Ich kann mich als Ich nur setzen, in wiefern ich mich tätig setze. - Da das Gefühl nur Beschränkung sein soll, so kann ich mich als Ich nicht fühlen, wenn nicht noch eine andere Tätigkeit hinzukommt. Mithin lässt sich aus dem Gefühl allein das Bewusstsein nicht erklären, also müsste ich mich in dem Begriffe des Y setzen als tätig. Das Ideale gibt sich dem Gefühle hin; wie //103// dies zugehe, ist besonders Gegenstand unserer gegenwärtigen Untersuchung.
Nota I.
 - Wieso muss 'noch eine andere Tätigkeit hinzukommen', damit ich mich beschränkt fühlen kann? Es ist ein Widerstand gegeben, der ist es, den ich fühle und an dem ich mich tätig fühle. Wieso ist das plötzlich nicht mehr genug? Meint er bloß: Auf dieses mich-tätig-Fühlen muss wieder die ideale Tätigkeit gehen, um es zur Anschauung zu bringen? Es schadet nicht, es zu wiederholen, aber es war auch nicht nötig. - Bleibt die Frage: Wie soll das zugehen, dass die ideale Tätigkeit sich dem Gefühl hingibt? Wir sind gespannt.
 Nota II.
Die genetische Darstellung unterscheidet sich von der historischen so: In ihr ist nicht von zeitlichem Nacheinander die Rede, sondern von sinnhaften Bedingungsverhältnissen.
Von der logischen Darstellung unterscheidet sie, dass sie keine (durch wen? mit welchem Recht?) definierten Begriffe verwendet, denn die sind statisch und lassen sich nur durch die Schlussregeln verknüpfen, doch die sind rein formal. Die Absicht, in der sie verknüpft werden, kommt unkontrolliert von außen. Die Anwendung der Logik ist willkürlich, aber sie verbirgt es.
In der genetischen Darstellung gehen dagegen Vorstellungen aus einander hervor, das Vorstellen ist lebendige Tätigkeit, die selber absieht und die, nachdem sie A gesagt hat, B sagen müsste - sofern sie nicht ganz aufhören will. Ihr Forstschreiten ist notwendig. Die logische Darstellung ist statisch, die genetische ist dynamisch. Und wenn es darum geht, das Bewusstsein aus sich zu verstehen, ist die dynamische am Platz; aber nur da.
JE 

Ich setze mich als Ich heißt: Ich setzte mich als tätig. Das Materiale der Tätigkeit (was dabei angeschaut wird) ist ein Übergehen von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. (Das Formale ist die Selbstaffektion, sie gehört nicht hierher.) Das Ich soll im Begriff tätig gesetzt werden als von einer gewissen Unbestimmtheit zu einer gewissen Bestimmtheit übergehend. Beide müssen wir hier kennenlernen. 

A) Das Bestimmte, wozu übergegangen wird, ist der Begriff eines bestimmten Dinges, aber ich selbst bin auch bestimmt in diesem Begriff, weil dieses Quantum meines Begreifens meinen Zustand* ausmacht.
*Nota.
 - Nicht eigentlich das Gefühl selbst, in dem er auch den Denkzwang unterbringen will, ist der problematische Begriff, sondern der Zustand: Der ist nämlich das als real gedachte Pendant zum begriffenen Ich. In jedem Fall geht es darum, Denkerfahrung und Sinnlichkeit in einander aufzulösen. Das ist bekanntlich ein ur- altes Problem der Philosophie. Doch wenn er meint, er habe es schon dialektisch aufgelöst, dann irrt er sich; das ist er uns noch schuldig. Begreifen ist ein Sache der Erfahrung; die beruht zweitens auf der Sinnlichkeit und erstens auf dem, was bei Kant als Apriori vorkommt. Fichte nennt es Denkzwang.
(Wir bleiben stets im Reich der Vorstellung. Die Aufgabe ist weniger, den Denkzwang der Sinnlichkeit, als vielmehr die Sinnlichkeit dem Denkzwang zu assimilieren. Die Frage war doch: Wie kommt das Objekt in meine Vorstellung? Er hat sie lediglich umgekehrt: Wie komme ich zu der Annahme, dass meinen Vorstellungen Objekte außer mir entsprechen? Materialiter ist das dasselbe.)
JE

B) Über die Entstehung dieses bestimmten Dinges, dieses bestimmten Begreifens, dieser meiner Bestimmtheit im Begreifen haben wir bisheit dies gesehen: Ich bin beschränkt, und zwar vollständig. Dieses vollständig zeigte eine Beschränktheit der Beschränktheit an. Die praktische Tätigkeit ist ganz aufgehoben, die ideale bleibt; das Wesen letzterer besteht nun darin, dass sie ein Objekt habe. In diesem Zustande ist praktische Beschränktheit oder Gefühl, und mit diesem Anschauung, denn beide sind notwendig verbunden. Nun aber ist die praktische Beschränktheit eine bestimmte, mithin auch diese Anschauung.

C. - Das bisher Gesagte ist zur Zeit nur für uns, die wir philosophieren, und bleibt so lange leer. Soll es etwas sein, so muss etwas für das Ich werden, worüber wir philosophieren. Wie wird es nun für das Ich? Wir haben gesagt: durch ein neues Gefühl X vom Zusammenhange der Anschauung Y mit dem Gefühl X: das Gefühl des Denkzwangs. Aber dies ist auch nichts, wenn es nicht für das Ich da ist; und der ganze Zustand ist für das Ich nur, in wiefern es sich in demselben das freie Übergehen versagt.

D. Das Ich gibt notwendig sich frei hin, versteht sich für sich als frei, es findet sich als frei, d. h. sein Hingeben ist mit der Vorstellung verbunden, dass es sich auch nicht hätte hingeben können. Aber es kann sich in diesem Hingeben nicht frei //104// setzen, wenn es sich nicht wirklich hin gibt, denn sonst ist für dasselbe nichts vorhanden. Ich bemerke irgend ein Objekt; dass ich es bemerke, geschieht mit Freiheit, denn ich sage, dass ich es auch nicht hätte bemerken können; aber dies kann ich nur sagen, indem ich es bemerkt habe.

Dadurch bekommt nun jenes X eine doppelte Ansicht. Einmal wird es betrachtet als eine Anschauung, die nicht Anschauung  sein soll, das zweite Mal als eine Anschauung, die eine sein soll. Das erstemal ist es das Ding, das an sich auch ohne das Ich exisieren soll, das zweitemal die Vorstellung davon, die mit Freiheit hervorgebracht werden soll. Das Ding und die Vorstellung davon sind also ein und dasselbe, nur angeschaut von zwei Seiten. Das erstemal ist es das, wodurch die Vorstellung bedingt ist, das zweitemal ists die Vorstellung selbst.

Im gemeinen Bewusstsein äußert sich das so: Wenn auch Ich nicht wäre, so würde doch eine Welt sein. (Dies ist ein Schluss, und indem ich dies behaupte, setze ich mich unvermerkt hinzu.) Dadurch sind wir nun zum eigentlichen Kern der Objektivität gekommen, wir wissen nun, woher es komme, dass wir Dinge außer uns annehmen. Das erste, wobei die Freiheit nicht ist, haben wir genannt die Anschauung, die als solche blind ist und nicht zum Bewusstsein kommt; man nennt sie besser das Ding, weil man sich bei der Anschauung noch etwas hinzudenkt, welches angeschaut wird. Das zweite ist die Vorstellung vom Ding.
Nota
. - Zur Erinnerung: Die Anschauung Y 'hängt zusammen' mit dem Gefühl X; dies ergäbe den Denkzwang, der wiederum sei selber ein Gefühl - was seine Realität verbürgt. Die ganze Rabulistik um Sinnlichkeit und Denkzwang hatte also den Zweck, uns deutlich zum machen, dass es sich bei dem Schluss des gemeinen Bewusstsein auf die Objektivität der Welt  weder um einen Denkfehler noch um eine Sinnestäuschung, sondern um eine Notwendigkeit der Vernunft selber handelt, von der allein der Transzendentalphilosoph in seiner Studierstube abstrahieren kann; aber schon nicht mehr, wenn er sie verlässt. - Zu diesem Behufe musste der 'Denkzwang' seinereits zu einem Gefühl objektiviert werden, weil er ohne dies auch lediglich eine zwanghafte Einbildung sein könnte.
JE 

E) In der beschriebenen Reflexion betrachteten wir das Ich gerade so; wie wir die Sache bisher beschrieben haben, sieht sie das Ich an.

Das Ich setzt, dass mit dem Gefühle Y (welches auch nur für das Ich da ist, in wiefern es darauf geflektiert) die Anschauung Y notwendig verbunden sei, die aus der Beschränkung herausspringe. Durch die Verknüpfung der Anschauung mit dem Gefühle wird Y dem Ich ein reelles Ding. So ist unsere geschilderte Beschreibung des Transzendenten genommen, es wird Bedingung meines Bewusstseins, des bestimmten Bewusstseins der Realität. Was aus dem Gefühle erfolgt, heißt dem Ich Ding, Realität.

Anmerkung: Wir haben die Anschauungen X und Y als zwei Bestimmungen des Gemüts aufgestellt, wir mussten dies //105// tun, um in das Mannigfache, das vor uns lag, eine deutliche Einsicht zu bekommen, weil wir nur diskursiv denken können. Im menschlichen Geiste kommen dieses Bestimmungen nicht so abgesondert wor. Erst in der Anschauung X (soweit wir jetzt sind, denn es wird sich zeigen, dass dies nicht zureicht) kommt ein Ich vor, also auch in ihr erst kann Y oder das Ding vorkommen; sonst müsste ein Ding sein, ohne dass Ich wäre, beides ist absurd. X und Y machen daher nicht zwei Zustände, sondern zwei Bestimmungen ein und desselben Zustandes aus.

Die Behauptung, aus dem Gefühle erfolgt ohne unser Zutun eine Anschauung, wäre transzendent. Es wird aber nur behauptet, das Ich muss nach den Vernunftgesetzen es so ansehen.

Nota.
 - Das ist es, dazu sind die ganzen "spitzfindigen Zurüstungen" der Transzendentalphilosophie gut: Die Vorstellung von einem Etwas jenseits meines Vorstellens ist transzendent, sie ist prima facie grundlos und muss daher erst transzendental vermittelt werden; es ist schon wahr, dass mit dem Gelingen einer solchen (denn es muss nicht genau diese sein) Vermittlung die Wissenschaftslehre steht und fällt.
Der Brief Jacobis wird ihn an diesem Punkt aus der Bahn werfen, und in der Bestimmung des Menschen macht er daher stattdessen einen Sprung ('proiectio per hiatum irrationalem', wie er es polemisch bei Jacobi nennt), nämlich die existenzialistische Rettung im 'Glauben' - nicht aus Gründen, sondern wg. eines Motivs.

 JE

F. Das Ich setzt einen notwendigen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Gefühl und einer bestimmten Anschauung; nach welcher Regel verfährt es hiebei? Hierüber kann es keine Regel geben, dieser Zusammenhang gründet sich auf das Ich, das Ich muss so verfahren. Dann [sic] was ist Objekt? 

Zuvörderst, das Objekt ist ein solches, welches ein bestimmtes Gefühl erregt. z. B. grün, rot. Dies Prädikat, das dem Gegenstande beigelegt wird (z. B. es ist rot), wird nicht mehr angeschaut, sondern bloß gefühlt, und die Verknüpfung desselben mit dem Gegenstande geschieht in einem Zustand des Gemüts. 

Ferner kommt dem Objekte zu der Charakter eines Objekts überhaupt; dass angeschaut wird, dass es der idealen Tätigkeit vorschwebt, dies gilt von allen Objekten, sowohl eingebildeten als reellen. Denn der eigentliche Charakter des Objekts, der Realität, [ist,] dass es gesetzt ist zufolge des Gefühls. Von den übrigen Eigenschaften, sie ihm etwa noch zukommen können (z. B. Ausdehnung im Raume), [reden wir] in der Zukunft. Dass ein Objekt im Raume ist und in demselben einen Ort einnimmt, dies folgt aus der Anschauung, das Geühl aber ist in uns und wird auf den Gegenstand, der außer uns sein soll, übertragen. Der äußere Gegenstand ist Deutung unseres Gefühls.
Nota.
 - Wenn Denkzwang ein Gefühl ist, können nicht eingebildete Objekte überhaupt, sondern nur notwendig eingebildete Gebilde Objekte werden. Wahnideen und reine Phantasieprodukte gingen somit nicht in den "einen Zustand des Gemüts" ein. Das könnte man allenfalls so drehen, dass gerade dem  Irren seine Ideen zwanghaft kommen. Aber wird nicht damit die ganze Erörterung sinnlos?
(Es ist hier ausdrücklich von Realität die Rede, also dem, was dem wirklich tätigen Subjekt widerfährt; nicht aber von transzendentaler Spekulation.)
JE

Was bedeuten nun die Ausdrücke: Wahrheit, Realität, objektive Gültigkeit? Diese Ausdrücke kommen nur denjenigen //106// Vorstellungen zu, welche aus dem Gefühl oder aus dem ersten Zustand erfolgen würden, wenn die ideale Tätigkeit notwendig bestimmt würde; wenn das Gefühl notwendige Ursache der Vorstellung wäre. Wenn eine Last auf einen Gegenstand drückt, so ist für den Gegenstand ein Druck notwendig vorhanden. Aber wenn ein Gefühl gesetzt ist, so erfolgt nicht notwendig eine Anschauung; denn das Anschauende ist frei, es könnte auch nicht reflektieren. Wenn es aber reflektiert, so erfolgt die Anschauung notwendig. 

In der Wahrheit kommt sonach das Ich ungeteilt vor, gleichsam als ein System, wo aus einem alles andre notwendig folgt. Aus dem Zustande des Gefühls folgt eine gewisse Anschauung, und dies ist Wahrheit. Wenn ich mir aber etwas erdichte, so geht der Zustand des Gefühls und der Anschauung jedes seinen eigenen Weg, in sofern ist das Ideale und das Fühlende gleichsam von einander gerissen, und dann ist meine Vorstellung keine Wahrheit. Wahrheit ist Übereinstimmung mit uns selbst, Harmonie.
Nota.
- Ichheit und Wahrheit sind hiernach Wechselbegriffe: Wo Gefühl und Anschauung zu systemischer Übereinkunft kommen - was sich freilich praktisch erweisen muss -, reden wir von Wahrheit, eigentlich: Wahrhaftigkeit; statt veritas sozusagen vericitas.
Und umgekehrt kann von Ichheit nur die Rede sein, wo "Übereinstimmung" gegeben ist; wo Gefühl und Anschauung 'jedes seinen eigenen Weg geht', ist das Ich gespalten, und also keines.
JE

Dieser Begriff von Wahrheit möchte noch viel weiter reichen. Unseren Vorstellungen von Gott, Sittlichkeit, Recht pp. kommt eben sowohl objektive Gültigkeit zu wie unseren Vorstellungen von der Welt. Beiderlei gründet sich auf Gefühle. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass die Vorstellungen der Welt auf ein Gefühl unserer Beschränktheit, die von Gott pp. auf ein Gefühl unseres Strebens gründen.

Zwischen beiden liegt das Handeln.


Die Wissenschaftslehre weicht darin von Kants Buchstaben ab, dass sie den Vorstellungen von Gott pp. eben sowohl objektive Gültigkeit zugesteht als den Vorstellungen von der Welt. Kant sagt in seinem Aufsatze über den vornehmen Ton, dass man Gott sich mache, allerdings, aber man macht sich auch die Welt, beide sind abhängig von der Vernunft. Nur für die Vernunft gibts eine Welt und einen Gott, doch gibts zwei beträchtliche Unterschiede dieser Vorstellungen.

1) Auf die Vorstellungen der Welt muss jeder reflektieren, so gewiss er ist, aber die Vorstellungen von einem Gott setzen schon moralische Bildung voraus.


//107// 2) Die Weltvorstellungen werden durch alle Vernunftgesetze bestimmt, aber nicht die von Gott. Gott kann man nicht bestimmem, man kann ihn nur anschauen. Von Gott gibts keinen Begriff, sondern nur eine Idee.

Kant geht besonders aufs Erkennen aus, und Objekt ist ihm, was ein Gegenstand des Erkennens [ist]. In dieser Rücksicht stimmt die Wissenschaftslehre auch mit Kants Buchstaben überein, und in diesem Sinne sind die Vorstellungen von Gott nicht objektiv. Realität heißt bei Kant, was im Raume ist. Dies ist aber eigentlich Materie, und in diesem Sinne kommt Gott keine Realität zu.
Nota.
- Hier wechselt er die Argumentation. Bislang musste die Annahme, dass Denkswang und Sinnlichkeit in derselben Weise Gefühl seien, ihre gemeinsame Objektivität verbürgen. Hier nun soll die unterschiedliche Qualität des Gefühls - mal das der Beschränktheit, mal das des Strebens - für zwei verschiedene Qualitäten von Objektivität aufkommen. (Das Gefühl des Strebens wäre notabene ein Fühlen der idealen Tätigkeit; warum macht er nicht mehr daraus?)
Kant hatte die Objektivität der Welt in der apriorischen Anschauung vom Raum begründet, Fichte gründet sie unmittelbar im Ich. Kant konnte die Objektivität der Gottesvorstellung nicht im Raum begründen, Fichte will sie wiederum unmittelbar im Ich begründen: im Gefühl des Strebens. Doch im Gefühl des Strebens kann er lediglich die Idee eines Zwecks-überhaupt, Zwecks der Zwecke, eines absoluten Wozu usw. begründen, die qua Idee ein bloßes Noumenon, ein Fiktion darstellt, von der 'gar nicht vorgegeben wird, dass ihr etwas Wirkliches entspreche'.
Er will aber auf die Vorstellung Gottes als ein Bild des Sittengesetzes hinaus. Da müsste zur Objektivität der Idee vom Zweck-an-sich noch etwas Subjektives hinzutreten, das nicht notwendig, sondern willkürlich wäre; er sagt es selbst: eine "moralische Bildung". - Seine Argumentation wäre schlüssiger geblieben, wenn er auf diesen Beisatz verzichtet hätte.
JE
§ 9 [Zusammenfassung]

Das Begreifen ist eine freie und als frei gesetzte Reflexion auf die vorher gesetzte Anschauung (Y). Aber die Freiheit der Reflexion auf sie kann nicht gesetzt werden, außer in wiefern sie überhaupt erst gesetzt ist. 

Wir erhalten somit eine doppelte Ansicht der Reflexion und mit ihr des Gegenstandes (die doppelte Ansicht der Reflexion nämlich ist für den Philosophen, die des Gegenstandes für das Ich). Einmal die Reflexion als solche, ohne dass über sie reflektiert weden, und dies gibt das ohne Zutun des Ich vorhandne Ding, einmal die Reflexion als eine Bestimmung der Freiheit und selbst reflextiert, und dies gibt die Vorstellung des Dinges.
Nota.
 - Die Anschauung ist eine Reflexion (=ideale Tätigkeit) auf das Gefühl einer Begrenzung der realen Tätig- keit. Als solche aber ist sie noch blind. Erst wenn auf sie wiederum reflektiert wird, erhebt die der Begriff zu einer Vorstellung in specie. (In genere ist alles, wovon die Wissenschaftslehre handelt, Vorstellung: "für den Philosophen".) 
JE

§ 10.

Ohnerachtet das freie Wesen alles, was für dasselbe sein soll, selbst hervorbringen muss, so muss ihm doch etwas als notwendig erscheinen; woher dieser Schein? Er ergiebt sich aus dem Wesen des freien Wesens. Es fängt von einem freien Handeln an, welchem gar kein Bewusstsein vorausgeht. Dieses freie Handeln wird Gegenstand des Bewusst- seins und kann hinterher als Produkt der Freiheit ange-//108//sehen werden. Aber dadurch, dass es Objket des Bewusstseins wird, erscheint es gegeben, dies liegt im Charakter der idealen Tätigkeit, welche gebunden werden muss durch etwas, das sie nicht hervorgebracht hat

Ohnerachtet das freie Wesen alles, was für dasselbe sein soll, selbst hervorbringen muss, so muss ihm doch etwas als notwendig erscheinen; woher dieser Schein? Er ergiebt sich aus dem Wesen des freien Wesens. Es fängt von einem freien Handeln an, welchem gar kein Bewusstsein vorausgeht. Dieses freie Handeln wird Gegenstand des Bewusstseins und kann hinterher als Produkt der Freiheit ange-//108//sehen werden. Aber dadurch, dass es Objket des Bewusstseins wird, erscheint es gegeben, dies liegt im Charakter der idealen Tätigkeit, welche gebunden werden muss durch etwas, das sie nicht hervorgebracht hat .

Man kann auch sagen, das freie Wesen kann nicht handeln, ohne auf Etwas zu handeln. Dieses Etwas kommt auch durch Freiheit, weil diese aber nicht Handeln auf Etwas ist, so bleibt sie im Dunkeln. Daher kommt es, dass notwen- dig ein Objekt für uns da sein muss, vide das Eigentümliche der Wissenschaftslehre.

§ 3, N. VII (Es passt aber nicht alles dort gesagte hieher,wegen der gegenwärtigen veränderten Darstellung.) Confer Kants metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre p. XX die Note.

Nota.
 - Es geht auch ganz einfach: Das erste Handeln geschieht aus Freiheit, es ist ein Handeln auf Etwas, aber es geschieht noch ohne Bewusstsein, weil es selbst Bedingung der Bewusstwerdung ist. Erst in der nachträglichen Reflexion kann es zum Gegenstand des Bewusstseins werden; ursprünglich liegt die Freiheit aber im Dunkeln: mit der freien Handlung auch das Etwas. Darum scheint es gegeben.
- Da er aber einmal den Denkzwang - die Unvermeidlichkeit, das Dings so zu denken und nicht anders (sofern es immerhin gedacht werden soll) - dem sinnlichen Gefühl gleichgestellt hat, könnte er uns das Gesetz der Verdinglichung, den dogmatischen Hang, den "dialektischen Schein" aus der Natur des diskursiven Denkens selbst ableiten: Nichts, was nicht in einem Gefühl gründet, ist real, nämlich anschaubar; real, weil anschaubar, ist, was in einem Gefühl gründet.
Kein Wunder also, dass uns Begriffe, die uns doch einem Denkzwang unterwerfen und die nur so und nicht anders gedacht werden können, wie Dinge vorkommen. Wie Dinge zweiter Ordnung, wenn man den Denkzwang als ein Gefühl zweiter Ordnung ansieht, aber wie Dinge eben doch. Gerade Noumena müssen, wenn sie gedacht werden sollen, so und nicht anders gedacht werden - und würden ipso facto zu Wirklichkeiten.
Wie käme er aus dieser selbstgestellten Falle wieder heraus? Lediglich "als Philosoph"? - Er hätte mehr bewiesen, als ihm recht sein konnte.
Dass der Denkzwang ein Gefühl sei, könnte man ihm äußerstenfalls abkaufen. Nicht aber, dass es sich dabei um ein Gefühl des Beschränktwerdens handelt. Das Gefühl, den rechten Weg gefunden zu haben, ist vielmehr eine Aufhebung der Beschränkung, die eben noch gebundene ideale Tätigkeit fühlt sich wieder freigesetzt. Merke: Wer an die Stelle schon definierter ruhende Begriffe lebendige Vorstellung setzen will, darf aus dem Denkzwang, den ich mir vorstelle, nichts herleiten, bloß weil er ihn vorher als Gefühl definiert hat.

JE
___________

Im vorigen Paragraphen war es uns um die Erkenntnis des Bestimmten, jetzt ists aber uns um die Erkenntnis des Bestimmbaren zu tun.

1) Das Ich setzt sich nach vorigem Paragraphen als vorstellen könnend oder nicht - was soll dies heißen? Wir können uns dies denken, denn wir haben schon oft und unser ganzes Leben hindurch dergleichen freie Handlungen vorge- nommen. Von dem Bestimmten, was wir nun kennen, abstrahieren wir; also dieses Denken ist ein abstraktes und daher ein unbestimmtes Denken. Dies kann uns bloß auf den Weg führen, worauf es liegt; aber uns nicht auf den Punkt stellen, worauf es uns ankommt.

Das bloß unbestimmte Denken ist die Quelle vieler Irrtümer in der Philosophie. Wir können oder nicht - das können wir uns wohl denken; aber nicht das ursprüngliche Ich, dem wir zusehen, denn dieses hat noch nichts zu abstrahieren, wir sind hier beim Anfange alles Handelns. 

1) [sic] Das Ich muss hier sein bestimmtes Tun, d. h. dasjenige, was hier allein stattfinden kann, überhaupt anschauen, und zwar, da es ein freies Tun sein soll, als etwas, das es vollziehen kann und auch nicht.

Bestimmtheit hat hier zwei Bedeutungen. Das, wovon wir hier reden, soll das Bestimmbare sein, von dem soll zum Be-//109//stimmten übergegangen werden; doch ist das Bestimmbare in bestimmter Rücksicht bestimmt, es ist ein Anschauen, und seine Bestimmbarkeit besteht darin, dass es ein Begreifen ist.
  Nota I.
 - Das Unbestimmte wird bestimmt als ein Unbestimmtes, was nichts anderes bedeutet denn: als ein zu-Bestimmendes. - Das Bestimmbare ist kein Bedeutungsloses. Denn es ist nicht zuerst unbestimmt, das Ich entschließt dann sich zum Bestimmen, und dadurch wird es ein Bestimmbares; sondern indem das Ich schon zu handeln (=anzuschauen) beginnt, wird es überhaupt erst für das Ich - und eo ipso ein Bestimmbares. Vorher war es für das Ich nicht da. (Ob für einen andern, könnte nur er uns sagen.)
Nota II.
 - Transzendentalphilosophie ist keine Entwicklungspsychologie. In der Realgeschichte eines Individuums kommt das nicht vor: Zuerst denkt das Individuum 'überhaupt', und danach verdichtet es sein Denken zu 'diesem'. Die Wissenschaftslehre ist keine historische Nacherzählung, sondern ein genetisches Modell, in dem es kein vor- und nacheinander gibt, sondern lediglich wechselseitige Bedingungen.
JE
Zuvörderst:

A) Hier wird argumentiert wie im vorigen Paragraphen. Es ist dasselbe, nur von einer ganz andren Seite. Im vorigen Pragraphen wurde gesagt: Das Objekt ist etwas, worauf ich reflektieren könnte oder nicht, aber das hat keinen Sinn, wenn ich nicht schon das Objekt gesetzt, mithin darauf reflektiert habe. So hier. Das Tun oder Handeln des Ich soll gesetzt werden als geschehen könnend oder nicht, aber das ist nicht möglich, wenn nicht schon ein Tun überhaupt gesetzt ist (non entis nulla sunt praedicata). 

Also das Tun des Ich ist notwendig aller Reflexion auf dasselbe vorauszusetzen, erscheint also als gegeben wie im vorigen Paragraphen das Ding [, und] aus demselben Grund. Oder: Dieses Tun ist das Bestimmbare, welche qualis talis zu dem Übergehen zum Bestimmten als einem Akte der Freiheit vorausgesetzt wird. Aber das Bestimmbare ist, in wiefern es anschaubar sein soll, etwas Objektives im weitersten Sinne des Worts, und wird hier bei der Reflexion auf das Übergehen schon gefunden.
Nota.
 - Es ist wie mit dem Paradox der Wahrheit. Wahr kann offenbar kein Ding oder Sachverhalt sein, sondern lediglich das Verhältnis meiner Vorstellung zu ihm. Die Frage, ob es Wahrheit der Vorstellung geben könnte, setzt also voraus, dass ich mir von der Wahrheit der Vorstellung eine Vorstellung bereits gemacht habe; ich kann also nicht mehr fragen, ob das möglich war. Ich kann immer nur fragen, ob diese Vorstellung wahr ist.
Mit andern Worten, positio und negatio sind nicht logisch gleichrangig - und daher ontologisch schon gar nicht.
(Ein Ding wird nicht gesetzt. Es wird vorgefunden. Das Vorgefundene wird bestimmt. Bestimmen heißt: Set- zen seiner Bedeutung. Bedeutung ist kein Sachverhalt, sondern ein idealer Akt. Ein idealer Akt muss als ein solcher gesetzt worden sein, bevor er negiert werden kann. Es gibt den Modus ponens ohne darauffolgenden Modus tollens; aber keinen Modus tollens ohne vorangegangenen Modus ponens.)
JE

B) Dieses als gegeben Erscheinende und in soweit von der Freiheit Unabhängige muss in anderer Rücksicht gesetzt werden als abhängig von ihr. In wiefern es sein kann oder nicht, erscheint es als abhängig, in wiefern es aber überhaupt gesetzt werden muss, als unabhängig; es wird doppelt angesehen. Hier erhalten wir also eine bestimmte Anwendung des oben angegebenen allgemeinen Satzes: Alles Bewusstsein geht von einem Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten aus.

C) Aber das Bestimmbare und das zu Bestimmende sind synthetisch vereinigt im Bewusstsein. Ich setze das Bestimmbare nur, in wiefern ich mich übergehend setze , und dies kann ich nur, in wiefern ich es als gegeben setze.

Es ist nicht gegeben, außer in wiefern ich darauf wirke, denn erst im freien Willen wird es mir gegeben, aber ich kann nichts wirken, was ich nicht schon habe.
Nota.
 - Das ist der Stein des Weisen: Nichts ist gegeben außer einem freien Willen. Es ist der Ursprung aller Dialektik. Wäre ich nicht frei, könnte ich nicht wirken, und nur einem Wirkenden begegnet ein Gegebenes. Doch in wiefern es ihm gegeben ist, ist er nicht frei.
Dies wiederholt sich als Scheidung von realer und idealer Tätigkeit: Die reale Tätigkeit ist frei, bis sie auf einen Widerstand stößt, der ein Gefühl hervorbringt. Auf dieses Gefühl muss die ideale Tätigkeit reflektieren, insofern ist sie gebunden und unfrei.
JE

//110// 2) Also der hier zu untersuchende Satz ist der: Ich schaue mein eignes Tun an als etwas, das ich vollziehen kann oder nicht. Mein Tun ist logisches Subjekt für das Prädikat der Freiheit. Es ist also mein Tun qualis talis selbst Objekt der Anschauung im weitesten Sinn des Worts, es erhält den Charakter des Objekts als etwas der idealen Tätigkeit Vor- schwebendes.

Wie wird nun mein tun als Objekt der Anschauung vorkommen? Kant nennt ein Tun z. B nach dem Gesetze der Kausalität pp. ganz richtig ein Schema, um zu bezeichnen, dass es nicht Wirkliches, sondern etwas durch ideale Tätigkeit zum Behuf der Anschauung zu Entwerfendes sein soll.

Schema ist ein bloßes Tun, und zwar mein notwendiges Tun in der Anschauung.

Also unsere Frage ist, welches ist das Schema des Tuns überhaupt, oder wie fällt ein Tun dadurch, dass es Objekt der Anschauung wird, aus? Hier ist das Objekt aus der Anschauung hergeleitet worden, und das Beweisen aus Begriffen hat hier ein Ende.
Nota I.
- Nur ein jenseits von Raum und Zeit gedachtes Tun ist als ein Schema darzustellen; und dies zum Zweck der Anschauung: In der Wirklichkeit lässt sich immer nur dieses oder jenes Tun anschauen; wenn ich aber Tun-überhaupt anschauen will, muss ich die Bestimmungen von Raum und Zeit fortlassen - alles, was eine Wirklichkeit als eine solche erst ausmacht.
Nota II.
Es ist ärgerlich, dass als Logik seit vielen Generationen nur noch die formale Richtigkeit der Verknüpfung definierter Begriffe verstanden wird; das bringt manche Unsicherheit des Ausdrucks mit sich.
Gr. logos heißt Wort, Sinn, Verstand, Bedeutung, und kommt von legein, das lesen, auflesen und durchschauen bedeutet. 'Logisch' sollte sich also auf alles beziehen, auf das diese Bezeichnungen zutreffen, und das ist ziem- lich viel. Sein Gegensatz wäre nicht 'unlogisch', sondern faktisch - nämlich sofern man sich ein Faktum ohne seine Bedeutung denkt.
Denken kann man letzteres, aber, und das ist hier der springende Punkt, man kann es sich nicht vorstellen. Die Verengung des Begriffs Logik auf das korrekte Schließen aus gegebenen Begriffen setzt offenbar die Gegebenheit der Begriffe unbedingt voraus. Dann wären sie logisch das 'Erste'.
Das ist aber eine grundlose Annahme. Material-logisch beruhen die Begriffe auf Gehalten, und diese Gehalte sind Vorstellungen, die in begriffliche Form gebracht werden müssen, um sie operabel zu machen. Die Operali- bilität der Begriffe macht ihre Form aus, die Vorstellungen sind der Stoff. Daher ist eine Darstellung der Art und Weise, wie sich sachlich eine Vorstellung aus der andern entwickelt, wie die eine in der andern Vorstellung schon enthalten sein mag, ohne als solche deutlich angeschaut worden zu sein - eigntlich ist eine solche Darstellung in einem eminenteren Sinn logisch zu nennen als die bloß-formale, in der Begriffe durch Schlussketten miteinander verknüpft werden.

Aber unser Sprachgebrauch lässt das nicht zu. Fichte hat das materiallogische Verfahren der Wissenschaftslehre daher genetisch nennen müssen, und es sah aus, als handle es sich zwischen logischer und historischer Betrachtung um eine eigenständige Kategorie. In philosophischer Hinsicht erheblich ist aber die einfache Unterscheidung zwischen historisch-faktischer und materiallogischer Betrachtung. Die formallogische Untersuchung ist ein Derivat, ein Reflexionsmittel zum Behuf des kritischen Geschäfts.
JE

Die Aufgabe ist: nicht einem bestimmten Tun, z. B. Denken, Anschauen pp., sondern einem Tun überhaupt zuzusehen. Die Aufforderung ist: eine Agilität zu beschreiben. Diese kann man nur beschreiben als eine Linie, die ich ziehe. Also innere Agilität ist eine Linie ziehen; nun aber ist hier nicht die Rede von einer Agilität, die geschieht, sondern von einer Agilität überhaupt, von einem bestimmbaren, aber nicht bestimmten Vermögen der inneren Tätigkeit und Agilität.

So eine Linie aber ist bestimmt der Direktion nach. In dem Vermögen müssen aber alle Linien liegen, das Schema des Tuns muss nach allen möglichen Direktionen mögliches Linienziehen sein; dies ist der Raum, und zwar leerer Raum, aber als leerer Raum kommt er nie vor, es wird immer etwas hineingesetz; warum, wird sich zeigen. 

Hier ist nun vom Tun die Rede; auch das bloße reine Tun ist nichts Erscheinendes.
Nota.
 - Tun-überhaupt 'gibt es' nicht, es ist nicht Etwas und lässt sich nicht anschauen; anschauen lässt sich lediglich die Vorstellung seines Schemas: ein Punkt, von dem aus in alle möglichen Richtungen Linien gezogen werden. Das impliziert, nein: schafft eine Vorstellung vom Raum. Kants Kritik der reinen Vernunft hatte beim Apriori Halt gemacht; bei den zwölf Kategorien und den beiden transzendentalen Anschauungsformen. Woher die kommen, lässt er - wie um Platz für den Glauben zu schaffen - im Ungewissen. Fichte radikalisiert Kant: Auch dessen Apriori ist Bestimmung durch das Ich.
JE
§ 10. A.

Das Begreifen wird als frei gesetz heißt: Die Intelligenz setzt als geschehen könnend oder auch nicht, und zwar eine gewisses //111// Handeln überhaupt (denn außerdem würde gar nichts gesetzt). Es wird sonach das Handeln überhaupt gesetzt; gesetzt, dass es geschehen könne oder nicht, welches letztere nicht möglich ist, ohne dass das erste überhaupt gesetzt sei. 





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